Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 353

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem      
  02 vielleicht nie eine Anschauung direct correspondiren kann. Wenn man      
  03 eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntniß nennen darf (welches, wenn      
  04 sie ein Princip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist,      
  05 was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm für uns      
  06 und den zweckmäßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist):      
  07 so ist alle unsere Erkenntniß von Gott bloß symbolisch; und der, welcher      
  08 sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille u. s. w., die allein an Weltwesen      
  09 ihre objective Realität beweisen, für schematisch nimmt, geräth in      
  10 den Anthropomorphism, so wie, wenn er alles Intuitive wegläßt, in den      
  11 Deism, wodurch überall nichts, auch nicht in praktischer Absicht, erkannt      
  12 wird.      
           
  13 Nun sage ich: das Schöne ist das Symbol des Sittlich=Guten; und      
  14 auch nur in dieser Rücksicht (einer Beziehung, die jedermann natürlich ist,      
  15 und die auch jedermann andern als Pflicht zumuthet) gefällt es mit einem      
  16 Anspruche auf jedes andern Beistimmung, wobei sich das Gemüth zugleich      
  17 einer gewissen Veredlung und Erhebung über die bloße Empfänglichkeit      
  18 einer Lust durch Sinneneindrücke bewußt ist und anderer Werth auch nach      
  19 einer ähnlichen Maxime ihrer Urtheilskraft schätzt. Das ist das Intelligibele,      
  20 worauf, wie der vorige Paragraph Anzeige that, der Geschmack      
  21 hinaussieht, wozu nämlich selbst unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen,      
  22 und ohne welches zwischen ihrer Natur, verglichen mit      
  23 den Ansprüchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprüche erwachsen      
  24 würden. In diesem Vermögen sieht sich die Urtheilskraft nicht, wie sonst      
  25 in empirischer Beurtheilung einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen:      
  26 sie giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens      
  27 ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des      
  28 Begehrungsvermögens thut; und sieht sich sowohl wegen dieser innern      
  29 Möglichkeit im Subjecte, als wegen der äußern Möglichkeit einer damit      
  30 übereinstimmenden Natur auf etwas im Subjecte selbst und außer ihm,      
  31 was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grunde der letzteren,      
  32 nämlich dem Übersinnlichen, verknüpft ist, bezogen, in welchem das      
  33 theoretische Vermögen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche und unbekannte      
  34 Art zur Einheit verbunden wird. Wir wollen einige Stücke dieser      
  35 Analogie anführen, indem wir zugleich die Verschiedenheit derselben      
  36 nicht unbemerkt lassen.      
           
  37 1) Das Schöne gefällt unmittelbar (aber nur in der reflectirenden      
           
     

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