Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 315 |
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01 | untergelegt wird, die zu seiner Darstellung gehört, aber für sich allein so | ||||||
02 | viel zu denken veranlaßt, als sich niemals in einem bestimmten Begriff | ||||||
03 | zusammenfassen läßt, mithin den Begriff selbst auf unbegränzte Art | ||||||
04 | ästhetisch erweitert: so ist die Einbildungskraft hiebei schöpferisch und | ||||||
05 | bringt das Vermögen intellectueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung, | ||||||
06 | mehr nämlich bei Veranlassung einer Vorstellung zu denken (was zwar | ||||||
07 | zu dem Begriffe des Gegenstandes gehört), als in ihr aufgefaßt und deutlich | ||||||
08 | gemacht werden kann. | ||||||
09 | Man nennt diejenigen Formen, welche nicht die Darstellung eines | ||||||
10 | gegebenen Begriffs selber ausmachen, sondern nur als Nebenvorstellungen | ||||||
11 | der Einbildungskraft die damit verknüpften Folgen und die Verwandtschaft | ||||||
12 | desselben mit andern ausdrücken, Attribute (ästhetische) eines | ||||||
13 | Gegenstandes, dessen Begriff als Vernunftidee nicht adäquat dargestellt | ||||||
14 | werden kann. So ist der Adler Jupiters mit dem Blitze in den Klauen | ||||||
15 | ein Attribut des mächtigen Himmelskönigs und der Pfau der prächtigen | ||||||
16 | Himmelskönigin. Sie stellen nicht wie die logischen Attribute das, | ||||||
17 | was in unsern Begriffen von der Erhabenheit und Majestät der Schöpfung | ||||||
18 | liegt, sondern etwas anderes vor, was der Einbildungskraft Anla | ||||||
19 | giebt, sich über eine Menge von verwandten Vorstellungen zu verbreiten, | ||||||
20 | die mehr denken lassen, als man in einem durch Worte bestimmten Begriff | ||||||
21 | ausdrücken kann; und geben eine ästhetische Idee, die jener Vernunftidee | ||||||
22 | statt logischer Darstellung dient, eigentlich aber um das Gemüth zu | ||||||
23 | beleben, indem sie ihm die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter | ||||||
24 | Vorstellungen eröffnet. Die schöne Kunst aber thut dieses nicht allein in | ||||||
25 | der Malerei oder Bildhauerkunst (wo der Namen der Attribute gewöhnlich | ||||||
26 | gebraucht wird); sondern die Dichtkunst und Beredsamkeit nehmen den | ||||||
27 | Geist, der ihre Werke belebt, auch lediglich von den ästhetischen Attributen | ||||||
28 | der Gegenstände her, welche den logischen zu Seite gehen und der Einbildungskraft | ||||||
29 | einen Schwung geben, mehr dabei, obzwar auf unentwickelte | ||||||
30 | Art, zu denken, als sich in einem Begriffe, mithin in einem bestimmten | ||||||
31 | Sprachausdrucke zusammenfassen läßt. - Ich muß mich der | ||||||
32 | Kürze wegen nur auf wenige Beispiele einschränken. | ||||||
33 | Wenn der große König sich in einem seiner Gedichte so ausdrückt: | ||||||
34 | "Laßt uns aus dem Leben ohne Murren weichen und ohne etwas zu bedauern, | ||||||
35 | indem wir die Welt noch alsdann mit Wohlthaten überhäuft zurücklassen. | ||||||
36 | So verbreitet die Sonne, nachdem sie ihren Tageslauf vollendet | ||||||
37 | hat, noch ein mildes Licht am Himmel; und die letzten Strahlen, | ||||||
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