Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 312 |
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01 | Grundlage und Bedingung, worauf dieses Rücksicht nehmen muß. In | ||||||
02 | einem solchen Falle denkt man auch, wenn z. B. gesagt wird: das ist ein | ||||||
03 | schönes Weib, in der That nichts anders als: die Natur stellt in ihrer | ||||||
04 | Gestalt die Zwecke im weiblichen Baue schön vor; denn man muß noch | ||||||
05 | über die bloße Form auf einen Begriff hinaussehen, damit der Gegenstand | ||||||
06 | auf solche Art durch ein logisch=bedingtes ästhetisches Urtheil gedacht | ||||||
07 | werde. | ||||||
08 | Die schöne Kunst zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge, | ||||||
09 | die in der Natur häßlich oder mißfällig sein würden, schön beschreibt. | ||||||
10 | Die Furien, Krankheiten, Verwüstungen des Krieges u. d. gl. können als | ||||||
11 | Schädlichkeiten sehr schön beschrieben, ja sogar im Gemälde vorgestellt | ||||||
12 | werden; nur eine Art Häßlichkeit kann nicht der Natur gemäß vorgestellt | ||||||
13 | werden, ohne alles ästhetische Wohlgefallen, mithin die Kunstschönheit zu | ||||||
14 | Grunde zu richten: nämlich diejenige, welche Ekel erweckt. Denn weil | ||||||
15 | in dieser sonderbaren, auf lauter Einbildung beruhenden Empfindung der | ||||||
16 | Gegenstand gleichsam, als ob er sich zum Genusse aufdränge, wider den | ||||||
17 | wir doch mit Gewalt streben, vorgestellt wird: so wird die künstliche Vorstellung | ||||||
18 | des Gegenstandes von der Natur dieses Gegenstandes selbst in | ||||||
19 | unserer Empfindung nicht mehr unterschieden, und jene kann alsdann unmöglich | ||||||
20 | für schön gehalten werden. Auch hat die Bildhauerkunst, weil | ||||||
21 | an ihren Producten die Kunst mit der Natur beinahe verwechselt wird, | ||||||
22 | die unmittelbare Vorstellung häßlicher Gegenstände von ihren Bildungen | ||||||
23 | ausgeschlossen und dafür z. B. den Tod (in einem schönen Genius), den | ||||||
24 | Kriegsmuth (am Mars) durch eine Allegorie oder Attribute, die sich | ||||||
25 | gefällig ausnehmen, mithin nur indirect vermittelst einer Auslegung | ||||||
26 | der Vernunft und nicht für bloß ästhetische Urtheilskraft vorzustellen erlaubt. | ||||||
28 | So viel von der schönen Vorstellung eines Gegenstandes, die eigentlich | ||||||
29 | nur die Form der Darstellung eines Begriffs ist, durch welche dieser | ||||||
30 | allgemein mitgetheilt wird. - Diese Form aber dem Producte der schönen | ||||||
31 | Kunst zu geben, dazu wird bloß Geschmack erfordert, an welchem der | ||||||
32 | Künstler, nachdem er ihn durch mancherlei Beispiele der Kunst oder der | ||||||
33 | Natur geübt und berichtigt hat, sein Werk hält und nach manchen oft | ||||||
34 | mühsamen Versuchen denselben zu befriedigen diejenige Form findet, die | ||||||
35 | ihm Genüge thut: daher diese nicht gleichsam eine Sache der Eingebung, | ||||||
36 | oder eines freien Schwunges der Gemüthskräfte, sondern einer langsamen | ||||||
37 | und gar peinlichen Nachbesserung ist, um sie dem Gedanken angemessen | ||||||
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