Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 306 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | begünstigt.) Dazu gehören ferner alle Spiele, die weiter kein Interesse | ||||||
| 02 | bei sich führen, als die Zeit unvermerkt verlaufen zu machen. | ||||||
| 03 | Schöne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die für sich selbst | ||||||
| 04 | zweckmäßig ist und, obgleich ohne Zweck, dennoch die Cultur der Gemüthskräfte | ||||||
| 05 | zur geselligen Mittheilung befördert. | ||||||
| 06 | Die allgemeine Mittheilbarkeit einer Lust führt es schon in ihrem | ||||||
| 07 | Begriffe mit sich, daß diese nicht eine Lust des Genusses aus bloßer Empfindung, | ||||||
| 08 | sondern der Reflexion sein müsse; und so ist ästhetische Kunst als | ||||||
| 09 | schöne Kunst eine solche, die die reflectirende Urtheilskraft und nicht die | ||||||
| 10 | Sinnenempfindung zum Richtmaße hat. | ||||||
| 11 | § 45. |
||||||
| 12 | Schöne Kunst ist eine Kunst, sofern sie zugleich Natur zu |
||||||
| 13 | sein scheint. |
||||||
| 14 | An einem Producte der schönen Kunst muß man sich bewußt werden, | ||||||
| 15 | daß es Kunst sei und nicht Natur; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in | ||||||
| 16 | der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frei scheinen, | ||||||
| 17 | als ob es ein Product der bloßen Natur sei. Auf diesem Gefühle der Freiheit | ||||||
| 18 | im Spiele unserer Erkenntnißvermögen, welches doch zugleich zweckmäßig | ||||||
| 19 | sein muß, beruht diejenige Lust, welche allein allgemein mittheilbar | ||||||
| 20 | ist, ohne sich doch auf Begriffe zu gründen. Die Natur war schön, wenn | ||||||
| 21 | sie zugleich als Kunst aussah; und die Kunst kann nur schön genannt | ||||||
| 22 | werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sei Kunst, und sie uns doch als | ||||||
| 23 | Natur aussieht. | ||||||
| 24 | Denn wir können allgemein sagen, es mag die Natur= oder die Kunstschönheit | ||||||
| 25 | betreffen: schön ist das, was in der bloßen Beurtheilung | ||||||
| 26 | (nicht in der Sinnenempfindung, noch durch einen Begriff) gefällt. | ||||||
| 27 | Nun hat Kunst jederzeit eine bestimmte Absicht etwas hervorzubringen. | ||||||
| 28 | Wenn dieses aber bloße Empfindung (etwas bloß Subjectives) wäre, die | ||||||
| 29 | mit Lust begleitet sein sollte, so würde dies Product in der Beurtheilung | ||||||
| 30 | nur vermittelst des Sinnengefühls gefallen. Wäre die Absicht auf die | ||||||
| 31 | Hervorbringung eines bestimmten Objects gerichtet, so würde, wenn sie | ||||||
| 32 | durch die Kunst erreicht wird, das Object nur durch Begriffe gefallen. In | ||||||
| 33 | beiden Fällen aber würde die Kunst nicht in der bloßen Beurtheilung, | ||||||
| 34 | d. i. nicht als schöne, sondern mechanische Kunst, gefallen. | ||||||
| 35 | Also muß die Zweckmäßigkeit im Producte der schönen Kunst, ob sie | ||||||
| [ Seite 305 ] [ Seite 307 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||