Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 305 |
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01 | werden sollen, ob etwas für schön zu halten sei oder nicht; das Urtheil | ||||||
02 | über Schönheit würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte, kein | ||||||
03 | Geschmacksurtheil sein. Was das zweite anlangt, so ist eine Wissenschaft, | ||||||
04 | die als solche schön sein soll, ein Unding. Denn wenn man in ihr als | ||||||
05 | Wissenschaft nach Gründen und Beweisen fragte, so würde man durch geschmackvolle | ||||||
06 | Aussprüche (Bonmots) abgefertigt. - Was den gewöhnlichen | ||||||
07 | Ausdruck schöne Wissenschaften veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts | ||||||
08 | anders, als daß man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schönen Kunst | ||||||
09 | in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntniß | ||||||
10 | alter Sprachen, Belesenheit der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte, | ||||||
11 | Kenntniß der Alterthümer u. s. w., erfordert, und deshalb diese historischen | ||||||
12 | Wissenschaften, weil sie zur schönen Kunst die nothwendige Vorbereitung | ||||||
13 | und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die Kenntniß | ||||||
14 | der Producte der schönen Kunst (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen | ||||||
15 | worden, durch eine Wortverwechselung selbst schöne Wissenschaften | ||||||
16 | genannt hat. | ||||||
17 | Wenn die Kunst, dem Erkenntnisse eines möglichen Gegenstandes | ||||||
18 | angemessen, bloß ihn wirklich zu machen die dazu erforderlichen Handlungen | ||||||
19 | verrichtet, so ist sie mechanische; hat sie aber das Gefühl der Lust | ||||||
20 | zur unmittelbaren Absicht, so heißt sie ästhetische Kunst. Diese ist entweder | ||||||
21 | angenehme oder schöne Kunst. Das erste ist sie, wenn der Zweck | ||||||
22 | derselben ist, daß die Lust die Vorstellungen als bloße Empfindungen, | ||||||
23 | das zweite, daß sie dieselben als Erkenntnißarten begleite. | ||||||
24 | Angenehme Künste sind die, welche bloß zum Genusse abgezweckt | ||||||
25 | werden; dergleichen alle die Reize sind, welche die Gesellschaft an einer | ||||||
26 | Tafel vergnügen können: als unterhaltend zu erzählen, die Gesellschaft in | ||||||
27 | freimüthige und lebhafte Gesprächigkeit zu versetzen, durch Scherz und | ||||||
28 | Lachen sie zu einem gewissen Tone der Lustigkeit zu stimmen, wo, wie man | ||||||
29 | sagt, manches ins Gelag hinein geschwatzt werden kann, und niemand über | ||||||
30 | das, was er spricht, verantwortlich sein will, weil es nur auf die augenblickliche | ||||||
31 | Unterhaltung, nicht auf einen bleibenden Stoff zum Nachdenken | ||||||
32 | oder Nachsagen angelegt ist. (Hiezu gehört denn auch die Art, wie der | ||||||
33 | Tisch zum Genusse ausgerüstet ist, oder wohl gar bei großen Gelagen die | ||||||
34 | Tafelmusik: ein wunderliches Ding, welches nur als ein angenehmes Geräusch | ||||||
35 | die Stimmung der Gemüther zur Fröhlichkeit unterhalten soll und, | ||||||
36 | ohne daß jemand auf die Composition derselben die mindeste Aufmerksamkeit | ||||||
37 | verwendet, die freie Gesprächigkeit eines Nachbars mit dem andern | ||||||
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