Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 297 |
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01 | des Menschen als für die Gesellschaft bestimmten Geschöpfs, also | ||||||
02 | als zur Humanität gehörige Eigenschaft, einräumt: so kann es nicht | ||||||
03 | fehlen, daß man nicht auch den Geschmack als ein Beurtheilungsvermögen | ||||||
04 | alles dessen, wodurch man sogar sein Gefühl jedem andern mittheilen | ||||||
05 | kann, mithin als Beförderungsmittel dessen, was eines jeden natürliche | ||||||
06 | Neigung verlangt, ansehen sollte. | ||||||
07 | Für sich allein würde ein verlassener Mensch auf einer wüsten Insel | ||||||
08 | weder seine Hütte, noch sich selbst ausputzen, oder Blumen aufsuchen, noch | ||||||
09 | weniger sie pflanzen, um sich damit auszuschmücken; sondern nur in Gesellschaft | ||||||
10 | kommt es ihm ein, nicht bloß Mensch, sondern auch nach seiner | ||||||
11 | Art ein feiner Mensch zu sein (der Anfang der Civilisirung): denn als | ||||||
12 | einen solchen beurtheilt man denjenigen, welcher seine Lust andern mitzutheilen | ||||||
13 | geneigt und geschickt ist, und den ein Object nicht befriedigt, wenn | ||||||
14 | er das Wohlgefallen an demselben nicht in Gemeinschaft mit andern | ||||||
15 | fühlen kann. Auch erwartet und fordert ein jeder die Rücksicht auf allgemeine | ||||||
16 | Mittheilung von jedermann, gleichsam als aus einem ursprünglichen | ||||||
17 | Vertrage, der durch die Menschheit selbst dictirt ist; und so werden | ||||||
18 | freilich anfangs nur Reize, z. B. Farben, um sich zu bemalen (Rocou bei | ||||||
19 | den Caraiben und Zinnober bei den Irokesen), oder Blumen, Muschelschalen, | ||||||
20 | schönfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch schöne Formen | ||||||
21 | (als an Canots, Kleidern u. s. w.), die gar kein Vergnügen, d. i. Wohlgefallen | ||||||
22 | des Genusses, bei sich führen, in der Gesellschaft wichtig und mit | ||||||
23 | großem Interesse verbunden: bis endlich die auf den höchsten Punkt gekommene | ||||||
24 | Civilisirung daraus beinahe das Hauptwerk der verfeinerten | ||||||
25 | Neigung macht, und Empfindungen nur so viel werth gehalten werden, | ||||||
26 | als sie sich allgemein mittheilen lassen; wo denn, wenn gleich die Lust, die | ||||||
27 | jeder an einem solchen Gegenstande hat, nur unbeträchtlich und für sich | ||||||
28 | ohne merkliches Interesse ist, doch die Idee von ihrer allgemeinen Mittheilbarkeit | ||||||
29 | ihren Werth beinahe unendlich vergrößert. | ||||||
30 | Dieses indirect dem Schönen durch Neigung zur Gesellschaft angehängte, | ||||||
31 | mithin empirische Interesse ist aber für uns hier von keiner Wichtigkeit, | ||||||
32 | die wir nur darauf zu sehen haben, was auf das Geschmacksurtheil | ||||||
33 | a priori, wenn gleich nur indirect, Beziehung haben mag. Denn wenn | ||||||
34 | auch in dieser Form sich ein damit verbundenes Interesse entdecken sollte, | ||||||
35 | so würde Geschmack einen Übergang unseres Beurtheilungsvermögens | ||||||
36 | von dem Sinnengenuß zum Sittengefühl entdecken; und nicht allein, daß | ||||||
37 | man dadurch den Geschmack zweckmäßig zu beschäftigen besser geleitet | ||||||
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