Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 293

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Erkenntnißvermögen, welche zum Geschmack erfordert wird, auch zum gemeinen      
  02 und gesunden Verstande erforderlich ist, den man bei jedermann      
  03 voraussetzen darf. Eben darum darf auch der mit Geschmack Urtheilende      
  04 (wenn er nur in diesem Bewußtsein nicht irrt und nicht die Materie für      
  05 die Form, Reiz für Schönheit nimmt) die subjective Zweckmäßigkeit, d. i.      
  06 sein Wohlgefallen am Objecte, jedem andern ansinnen und sein Gefühl      
  07 als allgemein mittheilbar und zwar ohne Vermittelung der Begriffe annehmen.      
           
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§ 40.

     
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Vom Geschmacke als einer Art von sensus communis.

     
           
  11 Man giebt oft der Urtheilskraft, wenn nicht sowohl ihre Reflexion als      
  12 vielmehr bloß das Resultat derselben bemerklich ist, den Namen eines      
  13 Sinnes und redet von einem Wahrheitssinne, von einem Sinne für Anständigkeit,      
  14 Gerechtigkeit u. s. w.; ob man zwar weiß, wenigstens billig      
  15 wissen sollte, daß es nicht ein Sinn ist, in welchem diese Begriffe ihren      
  16 Sitz haben können, noch weniger, daß dieser zu einem Ausspruche allgemeiner      
  17 Regeln die mindeste Fähigkeit habe: sondern daß uns von Wahrheit,      
  18 Schicklichkeit, Schönheit oder Gerechtigkeit nie eine Vorstellung dieser      
  19 Art in Gedanken kommen könnte, wenn wir uns nicht über die Sinne zu      
  20 höhern Erkenntnißvermögen erheben könnten. Der gemeine Menschenverstand,      
  21 den man als bloß gesunden (noch nicht cultivirten) Verstand      
  22 für das Geringste ansieht, dessen man nur immer sich von dem, welcher      
  23 auf den Namen eines Menschen Anspruch macht, gewärtigen kann, hat      
  24 daher auch die kränkende Ehre, mit dem Namen des Gemeinsinnes ( sensus      
  25 communis ) belegt zu werden; und zwar so, daß man unter dem Worte      
  26 gemein (nicht bloß in unserer Sprache, die hierin wirklich eine Zweideutigkeit      
  27 enthält, sondern auch in mancher andern) so viel als das vulgare,      
  28 was man allenthalben antrifft, versteht, welches zu besitzen schlechterdings      
  29 kein Verdienst oder Vorzug ist.      
           
  30 Unter dem sensus communis aber muß man die Idee eines gemeinschaftlichen      
  31 Sinnes, d. i. eines Beurtheilungsvermögens verstehen,      
  32 welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken      
  33 (a priori) Rücksicht nimmt, um gleichsam an die gesammte Menschenvernunft      
  34 sein Urtheil zu halten und dadurch der Illusion zu entgehen,      
  35 die aus subjectiven Privatbedingungen, welche leicht für objectiv gehalten      
  36 werden könnten, auf das Urtheil nachtheiligen Einfluß haben würde.      
           
     

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