Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 282

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Anspruch auf jedermanns Wohlgefallen ihr nur nachsagen. Durch die      
  02 Annehmlichkeit ihres Geruchs hat sie gar keine Ansprüche. Den einen ergötzt      
  03 dieser Geruch, dem andern benimmt er den Kopf. Was sollte man      
  04 nun anders daraus vermuthen, als daß die Schönheit für eine Eigenschaft      
  05 der Blume selbst gehalten werden müsse, die sich nicht nach der Verschiedenheit      
  06 der Köpfe und so vieler Sinne richtet, sondern wornach sich diese      
  07 richten müssen, wenn sie darüber urtheilen wollen? Und doch verhält es      
  08 sich nicht so. Denn darin besteht eben das Geschmacksurtheil, daß es eine      
  09 Sache nur nach derjenigen Beschaffenheit schön nennt, in welcher sie sich      
  10 nach unserer Art sie aufzunehmen richtet.      
           
  11 Überdies wird von jedem Urtheil, welches den Geschmack des Subjects      
  12 beweisen soll, verlangt: daß das Subject für sich, ohne nöthig zu      
  13 haben, durch Erfahrung unter den Urtheilen anderer herumzutappen und      
  14 sich von ihrem Wohlgefallen oder Mißfallen an demselben Gegenstande      
  15 vorher zu belehren, urtheilen, mithin sein Urtheil nicht als Nachahmung,      
  16 weil ein Ding etwa wirklich allgemein gefällt, sondern a priori aussprechen      
  17 solle. Man sollte aber denken, daß ein Urtheil a priori einen      
  18 Begriff vom Object enthalten müsse, zu dessen Erkenntniß es das Princip      
  19 enthält; das Geschmacksurtheil aber gründet sich gar nicht auf Begriffe      
  20 und ist überall nicht Erkenntniß, sondern nur ein ästhetisches Urtheil.      
  21 Daher läßt sich ein junger Dichter von der Überredung, daß sein      
  22 Gedicht schön sei, nicht durch das Urtheil des Publicums, noch seiner      
  23 Freunde abbringen; und wenn er ihnen Gehör giebt, so geschieht es nicht      
  24 darum, weil er es nun anders beurtheilt, sondern weil er, wenn gleich      
  25 (wenigstens in Absicht seiner) das ganze Publicum einen falschen Geschmack      
  26 hätte, sich doch (selbst wider sein Urtheil) dem gemeinen Wahne      
  27 zu bequemen, in seiner Begierde nach Beifall Ursache findet. Nur späterhin,      
  28 wenn seine Urtheilskraft durch Ausübung mehr geschärft worden, geht      
  29 er freiwillig von seinem vorigen Urtheile ab; so wie er es auch mit seinen      
  30 Urtheilen hält, die ganz auf der Vernunft beruhen. Der Geschmack macht      
  31 bloß auf Autonomie Anspruch. Fremde Urtheile sich zum Bestimmungsgrunde      
  32 des seinigen zu machen, wäre Heteronomie.      
           
  33 Daß man die Werke der Alten mit Recht zu Mustern anpreiset und      
  34 die Verfasser derselben classisch nennt gleich einem gewissen Adel unter den      
  35 Schriftstellern, der dem Volke durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint      
  36 Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen und die Autonomie desselben      
  37 in jedem Subjecte zu widerlegen. Allein man könnte eben so gut      
           
     

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