Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 243 |
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01 | ausdrücklich das Erkenntniß, oder einen bestimmten praktischen Zweck zur | ||||||
02 | Absicht hat, lange Weile macht. Dagegen ist das, womit Einbildungskraft | ||||||
03 | ungesucht und zweckmäßig spielen kann, uns jederzeit neu, und man wird | ||||||
04 | seines Anblicks nicht überdrüssig. Marsden in seiner Beschreibung von | ||||||
05 | Sumatra macht die Anmerkung, daß die freien Schönheiten der Natur | ||||||
06 | den Zuschauer daselbst überall umgeben und daher wenig Anziehendes | ||||||
07 | mehr für ihn haben: dagegen ein Pfeffergarten, wo die Stangen, an denen | ||||||
08 | sich dieses Gewächs rankt, in Parallellinien Alleen zwischen sich bilden, | ||||||
09 | wenn er ihn mitten in einem Walde antraf, für ihn viel Reiz hatte; und | ||||||
10 | schließt daraus, daß wilde, dem Anscheine nach regellose Schönheit nur | ||||||
11 | dem zur Abwechselung gefalle, der sich an der regelmäßigen satt gesehen | ||||||
12 | hat. Allein er durfte nur den Versuch machen, sich einen Tag bei seinem | ||||||
13 | Pfeffergarten aufzuhalten, um inne zu werden, daß, wenn der Verstand | ||||||
14 | durch die Regelmäßigkeit sich in die Stimmung zur Ordnung, die er allerwärts | ||||||
15 | bedarf, versetzt hat, ihn der Gegenstand nicht länger unterhalte, | ||||||
16 | vielmehr der Einbildungskraft einen lästigen Zwang anthue: wogegen die | ||||||
17 | dort an Mannigfaltigkeiten bis zur Üppigkeit verschwenderische Natur, die | ||||||
18 | keinem Zwange künstlicher Regeln unterworfen ist, seinem Geschmacke | ||||||
19 | für beständig Nahrung geben könne. - Selbst der Gesang der Vögel, den | ||||||
20 | wir unter keine musikalische Regel bringen können, scheint mehr Freiheit | ||||||
21 | und darum mehr für den Geschmack zu enthalten, als selbst ein menschlicher | ||||||
22 | Gesang, der nach allen Regeln der Tonkunst geführt wird: weil man | ||||||
23 | des letztern, wenn er oft und lange Zeit wiederholt wird, weit eher überdrüssig | ||||||
24 | wird. Allein hier vertauschen wir vermuthlich unsere Theilnehmung | ||||||
25 | an der Lustigkeit eines kleinen beliebten Thierchens mit der Schönheit | ||||||
26 | seines Gesanges, der, wenn er vom Menschen (wie dies mit dem Schlagen | ||||||
27 | der Nachtigall bisweilen geschieht) ganz genau nachgeahmt wird, unserm | ||||||
28 | Ohre ganz geschmacklos zu sein dünkt. | ||||||
29 | Noch sind schöne Gegenstände von schönen Aussichten auf Gegenstände | ||||||
30 | (die öfter der Entfernung wegen nicht mehr deutlich erkannt werden | ||||||
31 | können) zu unterscheiden. In den letztern scheint der Geschmack nicht sowohl | ||||||
32 | an dem, was die Einbildungskraft in diesem Felde auffaßt, als | ||||||
33 | vielmehr an dem, was sie hiebei zu dichten Anlaß bekommt, d. i. an den | ||||||
34 | eigentlichen Phantasieen, womit sich das Gemüth unterhält, indessen daß | ||||||
35 | es durch die Mannigfaltigkeit, auf die das Auge stößt, continuirlich erweckt | ||||||
36 | wird, zu haften; so wie etwa bei dem Anblick der veränderlichen Gestalten | ||||||
37 | eines Kaminfeuers oder eines rieselnden Baches, welche beide keine | ||||||
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