Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 237 |
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Text (Kant):
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| 01 | erkannt werden kann, daß jedermann dieses Wohlgefallen an dem von mir | ||||||
| 02 | schön genannten Gegenstande fühlen werde; auch nicht eine praktische, | ||||||
| 03 | wo durch Begriffe eines reinen Vernunftwillens, welcher freihandelnden | ||||||
| 04 | Wesen zur Regel dient, dieses Wohlgefallen die nothwendige Folge eines | ||||||
| 05 | objectiven Gesetzes ist und nichts anders bedeutet, als daß man schlechterdings | ||||||
| 06 | (ohne weitere Absicht) auf gewisse Art handeln solle. Sondern sie | ||||||
| 07 | kann als Nothwendigkeit, die in einem ästhetischen Urtheile gedacht wird, | ||||||
| 08 | nur exemplarisch genannt werden, d. i. eine Nothwendigkeit der Beistimmung | ||||||
| 09 | aller zu einem Urtheil, was als Beispiel einer allgemeinen | ||||||
| 10 | Regel, die man nicht angeben kann, angesehen wird. Da ein ästhetisches | ||||||
| 11 | Urtheil kein objectives und Erkenntnißurtheil ist, so kann diese Nothwendigkeit | ||||||
| 12 | nicht aus bestimmten Begriffen abgeleitet werden und ist also nicht | ||||||
| 13 | apodiktisch. Viel weniger kann sie aus der Allgemeinheit der Erfahrung | ||||||
| 14 | (von einer durchgängigen Einhelligkeit der Urtheile über die Schönheit | ||||||
| 15 | eines gewissen Gegenstandes) geschlossen werden. Denn nicht allein daß | ||||||
| 16 | die Erfahrung hiezu schwerlich hinreichend viele Beläge schaffen würde, | ||||||
| 17 | so läßt sich auf empirische Urtheile kein Begriff der Nothwendigkeit dieser | ||||||
| 18 | Urtheile gründen. | ||||||
| 19 | § 19. |
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| 20 | Die subjective Nothwendigkeit, die wir dem Geschmacksurtheile |
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| 21 | beilegen, ist bedingt. |
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| 22 | Das Geschmacksurtheil sinnt jedermann Beistimmung an; und wer | ||||||
| 23 | etwas für schön erklärt, will, daß jedermann dem vorliegenden Gegenstande | ||||||
| 24 | Beifall geben und ihn gleichfalls für schön erklären solle. Das | ||||||
| 25 | Sollen im ästhetischen Urtheile wird also selbst nach allen Datis, die zur | ||||||
| 26 | Beurtheilung erfordert werden, doch nur bedingt ausgesprochen. Man | ||||||
| 27 | wirbt um jedes andern Beistimmung, weil man dazu einen Grund hat, | ||||||
| 28 | der allen gemein ist; auf welche Beistimmung man auch rechnen könnte, | ||||||
| 29 | wenn man nur immer sicher wäre, daß der Fall unter jenem Grunde als | ||||||
| 30 | Regel des Beifalls richtig subsumirt wäre. | ||||||
| 31 | § 20. |
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| 32 | Die Bedingung der Nothwendigkeit, die ein Geschmacksurtheil |
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| 33 | vorgiebt, ist die Idee eines Gemeinsinnes. |
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| 34 | Wenn Geschmacksurtheile (gleich den Erkenntnißurtheilen) ein bestimmtes | ||||||
| 35 | objectives Princip hätten, so würde der, welcher sie nach dem | ||||||
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