Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 228

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vollkommenheit durch die bloße Form gegeben wird. Eine formale objective      
  02 Zweckmäßigkeit aber ohne Zweck, d. i. die bloße Form einer Vollkommenheit      
  03 (ohne alle Materie und Begriff von dem, wozu zusammengestimmt      
  04 wird, wenn es auch bloß die Idee einer Gesetzmäßigkeit überhaupt      
  05 wäre), sich vorzustellen, ist ein wahrer Widerspruch.      
           
  06 Nun ist das Geschmacksurtheil ein ästhetisches Urtheil, d. i. ein solches,      
  07 was auf subjectiven Gründen beruht, und dessen Bestimmungsgrund      
  08 kein Begriff, mithin auch nicht der eines bestimmten Zwecks sein kann.      
  09 Also wird durch die Schönheit, als eine formale subjective Zweckmäßigkeit,      
  10 keinesweges eine Vollkommenheit des Gegenstandes als vorgeblich      
  11 formale, gleichwohl aber doch objective Zweckmäßigkeit gedacht; und der      
  12 Unterschied zwischen den Begriffen des Schönen und Guten, als ob beide      
  13 nur der logischen Form nach unterschieden, der erste bloß ein verworrener,      
  14 der zweite ein deutlicher Begriff der Vollkommenheit, sonst aber dem Inhalte      
  15 und Ursprunge nach einerlei wären, ist nichtig: weil alsdann zwischen      
  16 ihnen kein specifischer Unterschied, sondern ein Geschmacksurtheil eben      
  17 so wohl ein Erkenntnißurtheil wäre, als das Urtheil, wodurch etwas für      
  18 gut erklärt wird; so wie etwa der gemeine Mann, wenn er sagt, daß der      
  19 Betrug unrecht sei, sein Urtheil auf verworrene, der Philosoph auf deutliche,      
  20 im Grunde aber beide auf einerlei Vernunft=Principien gründen.      
  21 Ich habe aber schon angeführt, daß ein ästhetisches Urtheil einzig in seiner      
  22 Art sei und schlechterdings kein Erkenntniß (auch nicht ein verworrenes)      
  23 vom Object gebe: welches letztere nur durch ein logisches Urtheil geschieht;      
  24 da jenes hingegen die Vorstellung, wodurch ein Object gegeben wird,      
  25 lediglich auf das Subject bezieht und keine Beschaffenheit des Gegenstandes,      
  26 sondern nur die zweckmäßige Form in der Bestimmung der Vorstellungskräfte,      
  27 die sich mit jenem beschäftigen, zu bemerken giebt. Das Urtheil      
  28 heißt auch eben darum ästhetisch, weil der Bestimmungsgrund desselben      
  29 kein Begriff, sondern das Gefühl (des innern Sinnes) jener Einhelligkeit      
  30 im Spiele der Gemüthskräfte ist, sofern sie nur empfunden      
  31 werden kann. Dagegen wenn man verworrene Begriffe und das objective      
  32 Urtheil, das sie zum Grunde hat, wollte ästhetisch nennen, man einen      
  33 Verstand haben würde, der sinnlich urtheilt, oder einen Sinn, der durch      
  34 Begriffe seine Objecte vorstellte, welches beides sich widerspricht. Das      
  35 Vermögen der Begriffe, sie mögen verworren oder deutlich sein, ist der      
  36 Verstand; und obgleich zum Geschmacksurtheil, als ästhetischem Urtheile,      
  37 auch (wie zu allen Urtheilen) Verstand gehört, so gehört er zu demselben      
           
     

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