Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 227 |
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| 01 | ein unmittelbares Wohlgefallen an dem Gegenstande sein würde, welches | ||||||
| 02 | letztere die wesentliche Bedingung des Urtheils über Schönheit ist. Aber | ||||||
| 03 | eine objective innere Zweckmäßigkeit, d. i. Vollkommenheit, kommt dem | ||||||
| 04 | Prädicate der Schönheit schon näher und ist daher auch von namhaften | ||||||
| 05 | Philosophen, doch mit dem Beisatze, wenn sie verworren gedacht | ||||||
| 06 | wird, für einerlei mit der Schönheit gehalten worden. Es ist von der | ||||||
| 07 | größten Wichtigkeit, in einer Kritik des Geschmacks zu entscheiden, ob sich | ||||||
| 08 | auch die Schönheit wirklich in den Begriff der Vollkommenheit auflösen | ||||||
| 09 | lasse. | ||||||
| 10 | Die objective Zweckmäßigkeit zu beurtheilen, bedürfen wir jederzeit | ||||||
| 11 | den Begriff eines Zwecks und (wenn jene Zweckmäßigkeit nicht eine äußere | ||||||
| 12 | [ Nützlichkeit ], sondern eine innere sein soll) den Begriff eines innern | ||||||
| 13 | Zwecks, der den Grund der innern Möglichkeit des Gegenstandes enthalte. | ||||||
| 14 | So wie nun Zweck überhaupt dasjenige ist, dessen Begriff als der Grund | ||||||
| 15 | der Möglichkeit des Gegenstandes selbst angesehen werden kann: so wird, | ||||||
| 16 | um sich eine objective Zweckmäßigkeit an einem Dinge vorzustellen, der | ||||||
| 17 | Begriff von diesem, was es für ein Ding sein solle, voran gehen; | ||||||
| 18 | und die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen in demselben zu diesem | ||||||
| 19 | Begriffe (welcher die Regel der Verbindung desselben an ihm giebt) ist | ||||||
| 20 | die qualitative Vollkommenheit eines Dinges. Hiervon ist die | ||||||
| 21 | quantitative, als die Vollständigkeit eines jeden Dinges in seiner Art, | ||||||
| 22 | gänzlich unterschieden und ein bloßer Größenbegriff (der Allheit), bei | ||||||
| 23 | welchem, was das Ding sein solle, schon zum voraus als bestimmt | ||||||
| 24 | gedacht und nur, ob alles dazu Erforderliche an ihm sei, gefragt wird. | ||||||
| 25 | Das Formale in der Vorstellung eines Dinges, d. i. die Zusammenstimmung | ||||||
| 26 | des Mannigfaltigen zu Einem (unbestimmt was es sein solle), giebt | ||||||
| 27 | für sich ganz und gar keine objective Zweckmäßigkeit zu erkennen: weil, | ||||||
| 28 | da von diesem Einen als Zweck (was das Ding sein solle) abstrahirt | ||||||
| 29 | wird, nichts als die subjective Zweckmäßigkeit der Vorstellungen im Gemüthe | ||||||
| 30 | des Anschauenden übrig bleibt, welche wohl eine gewisse Zweckmäßigkeit | ||||||
| 31 | des Vorstellungszustandes im Subject und in diesem eine Behaglichkeit | ||||||
| 32 | desselben eine gegebene Form in die Einbildungskraft aufzufassen, | ||||||
| 33 | aber keine Vollkommenheit irgend eines Objects, das hier durch | ||||||
| 34 | keinen Begriff eines Zwecks gedacht wird, angiebt. Wie z. B., wenn ich | ||||||
| 35 | im Walde einen Rasenplatz antreffe, um welchen die Bäume im Cirkel | ||||||
| 36 | stehen, und ich mir dabei nicht einen Zweck, nämlich daß er etwa zum | ||||||
| 37 | ländlichen Tanze dienen solle, vorstelle, nicht der mindeste Begriff von | ||||||
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