Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 216 |
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01 | ein Kleid, ein Haus, eine Blume schön sei: dazu läßt man sich sein Urtheil | ||||||
02 | durch keine Gründe oder Grundsätze aufschwatzen. Man will das Object | ||||||
03 | seinen eignen Augen unterwerfen, gleich als ob sein Wohlgefallen von der | ||||||
04 | Empfindung abhinge; und dennoch, wenn man den Gegenstand alsdann | ||||||
05 | schön nennt, glaubt man eine allgemeine Stimme für sich zu haben und | ||||||
06 | macht Anspruch auf den Beitritt von jedermann, da hingegen jede Privatempfindung | ||||||
07 | nur für den Betrachtenden allein und sein Wohlgefallen entscheiden | ||||||
08 | würde. | ||||||
09 | Hier ist nun zu sehen, daß in dem Urtheile des Geschmacks nichts postulirt | ||||||
10 | wird, als eine solche allgemeine Stimme in Ansehung des Wohlgefallens | ||||||
11 | ohne Vermittelung der Begriffe; mithin die Möglichkeit eines | ||||||
12 | ästhetischen Urtheils, welches zugleich als für jedermann gültig betrachtet | ||||||
13 | werden könne. Das Geschmacksurtheil selber postulirt nicht jedermanns | ||||||
14 | Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Gründe | ||||||
15 | anführen kann, thun); es sinnt nur jedermann diese Einstimmung an, | ||||||
16 | als einen Fall der Regel, in Ansehung dessen es die Bestätigung nicht von | ||||||
17 | Begriffen, sondern von anderer Beitritt erwartet. Die allgemeine Stimme | ||||||
18 | ist also nur eine Idee (worauf sie beruhe, wird hier noch nicht untersucht). | ||||||
19 | Daß der, welcher ein Geschmacksurtheil zu fällen glaubt, in der That dieser | ||||||
20 | Idee gemäß Urtheile, kann ungewiß sein; aber daß er es doch darauf | ||||||
21 | beziehe, mithin daß es ein Geschmacksurtheil sein solle, kündigt er durch den | ||||||
22 | Ausdruck der Schönheit an. Für sich selbst aber kann er durch das bloße | ||||||
23 | Bewußtsein der Absonderung alles dessen, was zum Angenehmen und | ||||||
24 | Guten gehört, von dem Wohlgefallen, was ihm noch übrig bleibt, davon | ||||||
25 | gewiß werden; und das ist alles, wozu er sich die Beistimmung von jedermann | ||||||
26 | verspricht: ein Anspruch, wozu unter diesen Bedingungen er auch | ||||||
27 | berechtigt sein würde, wenn er nur wider sie nicht öfter fehlte und darum | ||||||
28 | ein irriges Geschmacksurtheil fällte. | ||||||
29 | § 9. |
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30 | Untersuchung der Frage: ob im Geschmacksurtheile das Gefühl |
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31 | der Lust vor der Beurtheilung des Gegenstandes, oder |
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32 | diese vor jener vorhergehe. |
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33 | Die Auflösung dieser Aufgabe ist der Schlüssel zur Kritik des Geschmacks | ||||||
34 | und daher aller Aufmerksamkeit würdig. | ||||||
35 | Ginge die Lust an dem gegebenen Gegenstande vorher, und nur die | ||||||
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