Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 159 |
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01 | Incertaeque rei, Phalaris licet imperet, ut sis | ||||||
02 | Falsus, et admoto dictet periuria tauro, | ||||||
03 | Summum Crede nefas animam praeferre pudori | ||||||
04 | Et propter vitam vivendi perdere causas. | ||||||
05 | Wenn wir irgend etwas Schmeichelhaftes vom Verdienstlichen in | ||||||
06 | unsere Handlung bringen können, dann ist die Triebfeder schon mit Eigenliebe | ||||||
07 | etwas vermischt, hat also einige Beihülfe von der Seite der Sinnlichkeit. | ||||||
08 | Aber der Heiligkeit der Pflicht allein alles nachsetzen und sich bewußt | ||||||
09 | werden, daß man es könne, weil unsere eigene Vernunft dieses als | ||||||
10 | ihr Gebot anerkennt und sagt, daß man es thun solle, das heißt sich | ||||||
11 | gleichsam über die Sinnenwelt selbst gänzlich erheben, und ist in demselben | ||||||
12 | Bewußtsein des Gesetzes auch als Triebfeder eines die Sinnlichkeit | ||||||
13 | beherrschenden Vermögens unzertrennlich, wenn gleich nicht immer | ||||||
14 | mit Effect verbunden, der aber doch auch durch die öftere Beschäftigung | ||||||
15 | mit derselben und die anfangs kleinern Versuche ihres Gebrauchs Hoffnung | ||||||
16 | zu seiner Bewirkung giebt, um in uns nach und nach das größte, | ||||||
17 | aber reine moralische Interesse daran hervorzubringen. | ||||||
18 | Die Methode nimmt also folgenden Gang. Zuerst ist es nur darum | ||||||
19 | zu thun, die Beurtheilung nach moralischen Gesetzen zu einer natürlichen, | ||||||
20 | alle unsere eigene sowohl als die Beobachtung fremder freier Handlungen | ||||||
21 | begleitenden Beschäftigung und gleichsam zur Gewohnheit zu machen und | ||||||
22 | sie zu schärfen, indem man vorerst frägt, ob die Handlung objectiv dem | ||||||
23 | moralischen Gesetze, und welchem, gemäß sei; wobei man denn die | ||||||
24 | Aufmerksamkeit auf dasjenige Gesetz, welches blos einen Grund zur Verbindlichkeit | ||||||
25 | an die Hand giebt, von dem unterscheidet, welches in der That | ||||||
26 | verbindend ist ( leges obligandi a legibus obligantibus ), (wie z. B. | ||||||
27 | das Gesetz desjenigen, was das Bedürfniß der Menschen, im Gegensatze | ||||||
28 | dessen, was das Recht derselben von mir fordert, wovon das Letztere | ||||||
29 | wesentliche, das Erstere aber nur außerwesentliche Pflichten vorschreibt) | ||||||
30 | und so verschiedene Pflichten, die in einer Handlung zusammenkommen, | ||||||
31 | unterscheiden lehrt. Der andere Punkt, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet | ||||||
32 | werden muß, ist die Frage: ob die Handlung auch (subjectiv) um | ||||||
33 | des moralischen Gesetzes willen geschehen, und also sie nicht allein | ||||||
34 | sittliche Richtigkeit als That, sondern auch sittlichen Werth als Gesinnung, | ||||||
35 | ihrer Maxime nach, habe. Nun ist kein Zweifel, daß diese Übung und | ||||||
36 | das Bewußtsein einer daraus entspringenden Cultur unserer blos über | ||||||
37 | das Praktische urtheilenden Vernunft ein gewisses Interesse selbst am Gesetze | ||||||
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