Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 158

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 einer zwar höchst achtungswürdigen, aber nicht so gefälligen Gestalt erscheint,      
  02 als ob es zu dem Elemente gehöre, daran er natürlicher Weise gewohnt      
  03 ist, sondern wie es ihn nöthigt, dieses oft nicht ohne Selbstverleugnung      
  04 zu verlassen und sich in ein höheres zu begeben, darin er sich mit      
  05 unaufhörlicher Besorgniß des Rückfalls nur mit Mühe erhalten kann.      
  06 Mit einem Worte, das moralische Gesetz verlangt Befolgung aus Pflicht,      
  07 nicht aus Vorliebe, die man gar nicht voraussetzen kann und soll.      
           
  08 Laßt uns nun im Beispiele sehen, ob in der Vorstellung einer Handlung      
  09 als edler und großmüthiger Handlung mehr subjectiv bewegende      
  10 Kraft einer Triebfeder liege, als wenn diese blos als Pflicht in Verhältniß      
  11 auf das ernste moralische Gesetz vorgestellt wird. Die Handlung,      
  12 da jemand mit der größten Gefahr des Lebens Leute aus dem Schiffbruche      
  13 zu retten sucht, wenn er zuletzt dabei selbst sein Leben einbüßt, wird zwar      
  14 einerseits zur Pflicht, andererseits aber und größtentheils auch für verdienstliche      
  15 Handlung angerechnet, aber unsere Hochschätzung derselben      
  16 wird gar sehr durch den Begriff von Pflicht gegen sich selbst, welche      
  17 hier etwas Abbruch zu leiden scheint, geschwächt. Entscheidender ist die      
  18 großmüthige Aufopferung seines Lebens zur Erhaltung des Vaterlandes,      
  19 und doch, ob es auch so vollkommen Pflicht sei, sich von selbst und unbefohlen      
  20 dieser Absicht zu weihen, darüber bleibt einiger Scrupel übrig,      
  21 und die Handlung hat nicht die ganze Kraft eines Musters und Antriebes      
  22 zur Nachahmung in sich. Ist es aber unerlaßliche Pflicht, deren Übertretung      
  23 das moralische Gesetz an sich und ohne Rücksicht auf Menschenwohl      
  24 verletzt und dessen Heiligkeit gleichsam mit Füßen tritt (dergleichen      
  25 Pflichten man Pflichten gegen Gott zu nennen pflegt, weil wir uns in      
  26 ihm das Ideal der Heiligkeit in Substanz denken), so widmen wir der Befolgung      
  27 desselben mit Aufopferung alles dessen, was für die innigste aller      
  28 unserer Neigungen nur immer einen Werth haben mag, die allervollkommenste      
  29 Hochachtung, und wir finden unsere Seele durch ein solches      
  30 Beispiel gestärkt und erhoben, wenn wir an demselben uns überzeugen      
  31 können, daß die menschliche Natur zu einer so großen Erhebung über alles,      
  32 was Natur nur immer an Triebfedern zum Gegentheil aufbringen mag,      
  33 fähig sei. Juvenal stellt ein solches Beispiel in einer Steigerung vor,      
  34 die den Leser die Kraft der Triebfeder, die im reinen Gesetze der Pflicht      
  35 als Pflicht steckt, lebhaft empfinden läßt:      
  36 Esto bonus miles, tutor bonus, arbiter idem      
  37 Integer; ambiguae si quando citabere testis      
           
     

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