Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 156

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 in der Seele des Zuhörers wirken, weil es Gewinn ist. Nun fängt man      
  02 es mit Androhung des Verlusts an. Es sind unter diesen Verleumdern      
  03 seine besten Freunde, die ihm jetzt ihre Freundschaft aufsagen, nahe Verwandte,      
  04 die ihn (der ohne Vermögen ist) zu enterben drohen, Mächtige,      
  05 die ihn in jedem Orte und Zustande verfolgen und kränken können, ein      
  06 Landesfürst, der ihn mit dem Verlust der Freiheit, ja des Lebens selbst      
  07 bedroht. Um ihn aber, damit das Maß des Leidens voll sei, auch den      
  08 Schmerz fühlen zu lassen, den nur das sittlich gute Herz recht inniglich      
  09 fühlen kann, mag man seine mit äußerster Noth und Dürftigkeit bedrohte      
  10 Familie ihn um Nachgiebigkeit anflehend, ihn selbst, obzwar rechtschaffen,      
  11 doch eben nicht von festen, unempfindlichen Organen des Gefühls      
  12 für Mitleid sowohl als eigener Noth, in einem Augenblick, darin er wünscht      
  13 den Tag nie erlebt zu haben, der ihn einem so unaussprechlichen Schmerz      
  14 aussetzte, dennoch seinem Vorsatze der Redlichkeit, ohne zu wanken oder      
  15 nur zu zweifeln, treu bleibend vorstellen: so wird mein jugendlicher Zuhörer      
  16 stufenweise von der bloßen Billigung zur Bewunderung, von da      
  17 zum Erstaunen, endlich bis zur größten Verehrung und einem lebhaften      
  18 Wunsche, selbst ein solcher Mann sein zu können (obzwar freilich nicht in      
  19 seinem Zustande), erhoben werden; und gleichwohl ist hier die Tugend      
  20 nur darum so viel werth, weil sie so viel kostet, nicht weil sie etwas einbringt.      
  21 Die ganze Bewunderung und selbst Bestrebung zur Ähnlichkeit      
  22 mit diesem Charakter beruht hier gänzlich auf der Reinigkeit des sittlichen      
  23 Grundsatzes, welche nur dadurch recht in die Augen fallend vorgestellt      
  24 werden kann, daß man alles, was Menschen nur zur Glückseligkeit zählen      
  25 mögen, von den Triebfedern der Handlung wegnimmt. Also muß die      
  26 Sittlichkeit auf das menschliche Herz desto mehr Kraft haben, je reiner sie      
  27 dargestellt wird. Woraus denn folgt, daß, wenn das Gesetz der Sitten      
  28 und das Bild der Heiligkeit und Tugend auf unsere Seele überall einigen      
  29 Einfluß ausüben soll, sie diesen nur so fern ausüben könne, als sie rein,      
  30 unvermengt von Absichten auf sein Wohlbefinden, als Triebfeder ans Herz      
  31 gelegt wird, darum weil sie sich im Leiden am herrlichsten zeigt. Dasjenige      
  32 aber, dessen Wegräumung die Wirkung einer bewegenden Kraft      
  33 verstärkt, muß ein Hinderniß gewesen sein. Folglich ist alle Beimischung      
  34 der Triebfedern, die von eigener Glückseligkeit hergenommen werden, ein      
  35 Hinderniß, dem moralischen Gesetze Einfluß aufs menschliche Herz zu verschaffen.      
  36 Ich behaupte ferner, daß selbst in jener bewunderten Handlung,      
  37 wenn der Bewegungsgrund, daraus sie geschah, die Hochschätzung      
           
     

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