Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 152

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 mag, oder auch alle Androhungen von Schmerz und Übeln jemals wirken      
  02 können. Gleichwohl ist es wirklich so bewandt, und wäre es nicht so mit      
  03 der menschlichen Natur beschaffen, so würde auch keine Vorstellungsart des      
  04 Gesetzes durch Umschweife und empfehlende Mittel jemals Moralität der      
  05 Gesinnung hervorbringen. Alles wäre lauter Gleißnerei, das Gesetz würde      
  06 gehaßt, oder wohl gar verachtet, indessen doch um eigenen Vortheils willen      
  07 befolgt werden. Der Buchstabe des Gesetzes (Legalität) würde in unseren      
  08 Handlungen anzutreffen sein, der Geist desselben aber in unseren Gesinnungen      
  09 (Moralität) gar nicht, und da wir mit aller unserer Bemühung      
  10 uns doch in unserem Urtheile nicht ganz von der Vernunft los machen      
  11 können, so würden wir unvermeidlich in unseren eigenen Augen als nichtswürdige,      
  12 verworfene Menschen erscheinen müssen, wenn wir uns gleich      
  13 für diese Kränkung vor dem inneren Richterstuhl dadurch schadlos zu      
  14 halten versuchten, daß wir uns an den Vergnügen ergötzten, die ein von      
  15 uns angenommenes natürliches oder göttliches Gesetz unserem Wahne      
  16 nach mit dem Maschinenwesen ihrer Polizei, die sich blos nach dem richtete,      
  17 was man thut, ohne sich um die Bewegungsgründe, warum man      
  18 es thut, zu bekümmern, verbunden hätte.      
           
  19 Zwar kann man nicht in Abrede sein, daß, um ein entweder noch ungebildetes,      
  20 oder auch verwildertes Gemüth zuerst ins Gleis des moralisch      
  21 Guten zu bringen, es einiger vorbereitenden Anleitungen bedürfe, es durch      
  22 seinen eigenen Vortheil zu locken, oder durch den Schaden zu schrecken;      
  23 allein so bald dieses Maschinenwerk, dieses Gängelband nur einige Wirkung      
  24 gethan hat, so muß durchaus der reine moralische Bewegungsgrund      
  25 an die Seele gebracht werden, der nicht allein dadurch, daß er der einzige      
  26 ist, welcher einen Charakter (praktische consequente Denkungsart nach unveränderlichen      
  27 Maximen) gründet, sondern auch darum, weil er den Menschen      
  28 seine eigene Würde fühlen lehrt, dem Gemüthe eine ihm selbst unerwartete      
  29 Kraft giebt, sich von aller sinnlichen Anhänglichkeit, so fern sie      
  30 herrschend werden will, loszureißen und in der Unabhängigkeit seiner      
  31 intelligibelen Natur und der Seelengröße, dazu er sich bestimmt sieht, für      
  32 die Opfer, die er darbringt, reichliche Entschädigung zu finden. Wir      
  33 wollen also diese Eigenschaft unseres Gemüths, diese Empfänglichkeit eines      
  34 reinen moralischen Interesse und mithin die bewegende Kraft der reinen      
  35 Vorstellung der Tugend, wenn sie gehörig ans menschliche Herz gebracht      
  36 wird, als die mächtigste und, wenn es auf die Dauer und Pünktlichkeit in      
  37 Befolgung moralischer Maximen ankommt, einzige Triebfeder zum Guten      
           
     

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