Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 151

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Unter der Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft kann      
  02 man nicht die Art (sowohl im Nachdenken als im Vortrage) mit reinen      
  03 praktischen Grundsätzen in Absicht auf ein wissenschaftliches Erkenntniß      
  04 derselben zu verfahren verstehen, welches man sonst im Theoretischen      
  05 eigentlich allein Methode nennt (denn populäres Erkenntniß bedarf einer      
  06 Manier, Wissenschaft aber einer Methode, d. i. eines Verfahrens nach      
  07 Principien der Vernunft, wodurch das Mannigfaltige einer Erkenntniß      
  08 allein ein System werden kann). Vielmehr wird unter dieser Methodenlehre      
  09 die Art verstanden, wie man den Gesetzen der reinen praktischen      
  10 Vernunft Eingang in das menschliche Gemüth, Einfluß auf die Maximen      
  11 desselben verschaffen, d. i. die objectiv praktische Vernunft auch subjectiv      
  12 praktisch machen könne.      
           
  13 Nun ist zwar klar, daß diejenigen Bestimmungsgründe des Willens,      
  14 welche allein die Maximen eigentlich moralisch machen und ihnen einen      
  15 sittlichen Werth geben, die unmittelbare Vorstellung des Gesetzes und die      
  16 objectiv nothwendige Befolgung desselben als Pflicht, als die eigentlichen      
  17 Triebfedern der Handlungen vorgestellt werden müssen, weil sonst zwar      
  18 Legalität der Handlungen, aber nicht Moralität der Gesinnungen bewirkt      
  19 werden würde. Allein nicht so klar, vielmehr beim ersten Anblicke      
  20 ganz unwahrscheinlich muß es jedermann vorkommen, daß auch subjectiv      
  21 jene Darstellung der reinen Tugend mehr macht über das menschliche      
  22 Gemüth haben und eine weit stärkere Triebfeder abgeben könne, selbst jene      
  23 Legalität der Handlungen zu bewirken und kräftigere Entschließungen      
  24 hervorzubringen, das Gesetz aus reiner Achtung für dasselbe jeder anderen      
  25 Rücksicht vorzuziehen, als alle Anlockungen, die aus Vorspiegelungen von      
  26 Vergnügen und überhaupt allem dem, was man zur Glückseligkeit zählen      
           
     

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