Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 134 |
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| 01 | wahre Begriffe sind, keine Sophisterei der Überzeugung selbst des gemeinsten | ||||||
| 02 | Menschen jemals entreißen wird. | ||||||
| 03 | VII |
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| 04 | Wie eine Erweiterung der reinen Vernunft in |
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| 05 | praktischer Absicht, ohne damit ihr Erkenntniß als speculativ |
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| 06 | zugleich zu erweitern, zu denken möglich sei? |
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| 07 | Wir wollen diese Frage, um nicht zu abstract zu werden, sofort in | ||||||
| 08 | Anwendung auf den vorliegenden Fall beantworten. - Um ein reines | ||||||
| 09 | Erkenntniß praktisch zu erweitern, muß eine Absicht a priori gegeben | ||||||
| 10 | sein, d. i. ein Zweck als Object (des Willens), welches unabhängig von | ||||||
| 11 | allen theoretischen Grundsätzen durch einen den Willen unmittelbar bestimmenden | ||||||
| 12 | (kategorischen) Imperativ als praktisch nothwendig vorgestellt | ||||||
| 13 | wird, und das ist hier das höchste Gut. Dieses ist aber nicht möglich, | ||||||
| 14 | ohne drei theoretische Begriffe (für die sich, weil sie bloße reine Vernunftbegriffe | ||||||
| 15 | sind, keine correspondirende Anschauung, mithin auf dem theoretischen | ||||||
| 16 | Wege keine objective Realität finden läßt) vorauszusetzen: nämlich | ||||||
| 17 | Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Also wird durchs praktische Gesetz, | ||||||
| 18 | welches die Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet, | ||||||
| 19 | die Möglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective | ||||||
| 20 | Realität, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt; wodurch | ||||||
| 21 | denn die theoretische Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs | ||||||
| 22 | bekommt, der aber blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische | ||||||
| 23 | (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, | ||||||
| 24 | denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz | ||||||
| 25 | derselben zur Möglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen | ||||||
| 26 | Objects, des höchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch | ||||||
| 27 | berechtigt wird, sie vorauszusetzen. Diese Erweiterung der theoretischen | ||||||
| 28 | Vernunft ist aber keine Erweiterung der Speculation, d. i. um | ||||||
| 29 | in theoretischer Absicht nunmehr einen positiven Gebrauch davon zu | ||||||
| 30 | machen. Denn da nichts weiter durch praktische Vernunft hiebei geleistet | ||||||
| 31 | worden, als daß jene Begriffe real sind und wirklich ihre (mögliche) Objecte | ||||||
| 32 | haben, dabei aber uns nichts von Anschauung derselben gegeben wird | ||||||
| 33 | (welches auch nicht gefordert werden kann), so ist kein synthetischer Satz | ||||||
| 34 | durch diese eingeräumte Realität derselben möglich. Folglich hilft uns | ||||||
| 35 | diese Eröffnung nicht im mindesten in speculativer Absicht, wohl aber in | ||||||
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