Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 130 |
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01 | meine eigene Glückseligkeit mit enthalten ist: so ist doch nicht sie, | ||||||
02 | sondern das moralische Gesetz (welches vielmehr mein unbegrenztes Verlangen | ||||||
03 | darnach auf Bedingungen strenge einschränkt) der Bestimmungsgrund | ||||||
04 | des Willens, der zur Beförderung des höchsten Guts angewiesen | ||||||
05 | wird. | ||||||
06 | Daher ist auch die Moral nicht eigentlich die Lehre, wie wir uns | ||||||
07 | glücklich machen, sondern wie wir der Glückseligkeit würdig werden | ||||||
08 | sollen. Nur dann, wenn Religion dazu kommt, tritt auch die Hoffnung ein, | ||||||
09 | der Glückseligkeit dereinst in dem Maße theilhaftig zu werden, als wir | ||||||
10 | darauf bedacht gewesen, ihrer nicht unwürdig zu sein. | ||||||
11 | Würdig ist jemand des Besitzes einer Sache oder eines Zustandes, | ||||||
12 | wenn, daß er in diesem Besitze sei, mit dem höchsten Gute zusammenstimmt. | ||||||
13 | Man kann jetzt leicht einsehen, daß alle Würdigkeit auf das sittliche | ||||||
14 | Verhalten ankomme, weil dieses im Begriffe des höchsten Guts die | ||||||
15 | Bedingung des übrigen (was zum Zustande gehört), nämlich des Antheils | ||||||
16 | an Glückseligkeit, ausmacht. Nun folgt hieraus: daß man die Moral an | ||||||
17 | sich niemals als Glückseligkeitslehre behandeln müsse, d. i. als eine | ||||||
18 | Anweisung der Glückseligkeit theilhaftig zu werden; denn sie hat es lediglich | ||||||
19 | mit der Vernunftbedingung ( conditio sine qua non ) der letzteren, | ||||||
20 | nicht mit einem Erwerbmittel derselben zu thun. Wenn sie aber (die blos | ||||||
21 | Pflichten auferlegt, nicht eigennützigen Wünschen Maßregeln an die Hand | ||||||
22 | giebt) vollständig vorgetragen worden: alsdann allererst kann, nachdem | ||||||
23 | der sich auf ein Gesetz gründende moralische Wunsch das höchste Gut zu | ||||||
24 | befördern (das Reich Gottes zu uns zu bringen), der vorher keiner eigennützigen | ||||||
25 | Seele aufsteigen konnte, erweckt und ihm zum Behuf der Schritt | ||||||
26 | zur Religion geschehen ist, diese Sittenlehre auch Glückseligkeitslehre genannt | ||||||
27 | werden, weil die Hoffnung dazu nur mit der Religion allererst | ||||||
28 | anhebt. | ||||||
29 | Auch kann man hieraus ersehen: daß, wenn man nach dem letzten | ||||||
30 | Zwecke Gottes in Schöpfung der Welt frägt, man nicht die Glückseligkeit | ||||||
31 | der vernünftigen Wesen in ihr, sondern das höchste Gut | ||||||
32 | nennen müsse, welches jenem Wunsche dieser Wesen noch eine Bedingung, | ||||||
33 | nämlich die der Glückseligkeit würdig zu sein, d. i. die Sittlichkeit eben | ||||||
34 | derselben vernünftigen Wesen, hinzufügt, die allein den Maßstab enthält, | ||||||
35 | nach welchem sie allein der ersteren durch die Hand eines weisen Urhebers | ||||||
36 | theilhaftig zu werden hoffen können. Denn da Weisheit, theoretisch | ||||||
37 | betrachtet, die Erkenntniß des höchsten Guts und praktisch die | ||||||
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