Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 125

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 machen kann. Gleichwohl wird in der praktischen Aufgabe der reinen Vernunft,      
  02 d. i. der nothwendigen Bearbeitung zum höchsten Gute, ein solcher      
  03 Zusammenhang als nothwendig postulirt: wir sollen das höchste Gut      
  04 (welches also doch möglich sein muß) zu befördern suchen. Also wird auch      
  05 das Dasein einer von der Natur unterschiedenen Ursache der gesammten      
  06 Natur, welche den Grund dieses Zusammenhanges, nämlich der genauen      
  07 Übereinstimmung der Glückseligkeit mit der Sittlichkeit, enthalte, postulirt.      
  08 Diese oberste Ursache aber soll den Grund der Übereinstimmung der      
  09 Natur nicht blos mit einem Gesetze des Willens der vernünftigen Wesen,      
  10 sondern mit der Vorstellung dieses Gesetzes, so fern diese es sich zum      
  11 obersten Bestimmungsgrunde des Willens setzen, also nicht blos      
  12 mit den Sitten der Form nach, sondern auch ihrer Sittlichkeit als dem      
  13 Bewegungsgrunde derselben, d. i. mit ihrer moralischen Gesinnung, enthalten.      
  14 Also ist das höchste Gut in der Welt nur möglich, so fern eine      
  15 oberste Ursache der Natur angenommen wird, die eine der moralischen Gesinnung      
  16 gemäße Causalität hat. Nun ist ein Wesen, das der Handlungen      
  17 nach der Vorstellung von Gesetzen fähig ist, eine Intelligenz (vernünftig      
  18 Wesen) und die Causalität eines solchen Wesens nach dieser Vorstellung      
  19 der Gesetze ein Wille desselben. Also ist die oberste Ursache der Natur, so      
  20 fern sie zum höchsten Gute vorausgesetzt werden muß, ein Wesen, das      
  21 durch Verstand und Willen die Ursache (folglich der Urheber) der Natur      
  22 ist, d. i. Gott. Folglich ist das Postulat der Möglichkeit des höchsten      
  23 abgeleiteten Guts (der besten Welt) zugleich das Postulat der Wirklichkeit      
  24 eines höchsten ursprünglichen Guts, nämlich der Existenz      
  25 Gottes. Nun war es Pflicht für uns das höchste Gut zu befördern, mithin      
  26 nicht allein Befugniß, sondern auch mit der Pflicht als Bedürfniß      
  27 verbundene Nothwendigkeit, die Möglichkeit dieses höchsten Guts vorauszusetzen,      
  28 welches, da es nur unter der Bedingung des Daseins Gottes      
  29 stattfindet, die Voraussetzung desselben mit der Pflicht unzertrennlich verbindet,      
  30 d. i. es ist moralisch nothwendig, das Dasein Gottes anzunehmen.      
           
  31 Hier ist nun wohl zu merken, daß diese moralische Nothwendigkeit subjectiv,      
  32 d. i. Bedürfniß, und nicht objectiv, d. i. selbst Pflicht, sei; denn      
  33 es kann gar keine Pflicht geben, die Existenz eines Dinges anzunehmen      
  34 (weil dieses blos den theoretischen Gebrauch der Vernunft angeht). Auch      
  35 wird hierunter nicht verstanden, daß die Annehmung des Daseins Gottes,      
  36 als eines Grundes aller Verbindlichkeit überhaupt, nothwendig      
  37 sei (denn dieser beruht, wie hinreichend bewiesen worden, lediglich auf der      
           
     

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