Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 117

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Triebfeder für sinnlichen Antrieb, wie das allemal in der sogenannten      
  02 Täuschung der Sinne (hier des innern) zu geschehen pflegt. Es      
  03 ist etwas sehr Erhabenes in der menschlichen Natur, unmittelbar durch      
  04 ein reines Vernunftgesetz zu Handlungen bestimmt zu werden, und sogar      
  05 die Täuschung, das Subjective dieser intellectuellen Bestimmbarkeit des      
  06 Willens für etwas Ästhetisches und Wirkung eines besondern sinnlichen      
  07 Gefühls (denn ein intellectuelles wäre ein Widerspruch) zu halten. Es ist      
  08 auch von großer Wichtigkeit, auf diese Eigenschaft unserer Persönlichkeit      
  09 aufmerksam zu machen und die Wirkung der Vernunft auf dieses Gefühl      
  10 bestmöglichst zu cultiviren. Aber man muß sich auch in Acht nehmen,      
  11 durch unächte Hochureisungen dieses moralischen Bestimmungsgrundes als      
  12 Triebfeder, indem man ihm Gefühle besonderer Freuden als Gründe (die      
  13 doch nur Folgen sind) unterlegt, die eigentliche, ächte Triebfeder, das Gesetz      
  14 selbst, gleichsam wie durch eine falsche Folie herabzusetzen und zu verunstalten.      
  15 Achtung und nicht Vergnügen oder Genuß der Glückseligkeit      
  16 ist also etwas, wofür kein der Vernunft zum Grunde gelegtes, vorhergehendes      
  17 Gefühl (weil dieses jederzeit ästhetisch und pathologisch sein      
  18 würde) möglich ist, als Bewußtsein der unmittelbaren Nöthigung des      
  19 Willens durch Gesetz, ist kaum ein Analogon des Gefühls der Lust, indem      
  20 es im Verhältnisse zum Begehrungsvermögen gerade eben dasselbe, aber      
  21 aus andern Quellen thut; durch diese Vorstellungsart aber kann man      
  22 allein erreichen, was man sucht, nämlich daß Handlungen nicht blos      
  23 pflichtmäßig (angenehmen Gefühlen zu Folge), sondern aus Pflicht geschehen ,      
  24 welches der wahre Zweck aller moralischen Bildung sein muß.      
           
  25 Hat man aber nicht ein Wort, welches nicht einen Genuß, wie das      
  26 der Glückseligkeit, bezeichnete, aber doch ein Wohlgefallen an seiner Existenz,      
  27 ein Analogon der Glückseligkeit, welche das Bewußtsein der Tugend      
  28 nothwendig begleiten muß, anzeigte? Ja! dieses Wort ist Selbstzufriedenheit,      
  29 welches in seiner eigentlichen Bedeutung jederzeit nur ein      
  30 negatives Wohlgefallen an seiner Existenz andeutet, in welchem man nichts      
  31 zu bedürfen sich bewußt ist. Freiheit und das Bewußtsein derselben als      
  32 eines Vermögens, mit überwiegender Gesinnung das moralische Gesetz zu      
  33 befolgen, ist Unabhängigkeit von Neigungen, wenigstens als bestimmenden      
  34 (wenn gleich nicht als afficirenden) Bewegursachen unseres      
  35 Begehrens, und, so fern als ich mir derselben in der Befolgung meiner      
  36 moralischen Maximen bewußt bin, der einzige Quell einer nothwendig      
  37 damit verbundenen, auf keinem besonderen Gefühle beruhenden, unveränderlichen      
           
     

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