Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 100 |
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| 01 | hält, gleichwohl aber sie wegen ihres Thuns und Lassens eben so richtet, | ||||||
| 02 | ihnen ihre Verbrechen eben so als Schuld verweiset, ja sie (die Kinder) | ||||||
| 03 | selbst diese Verweise so ganz gegründet finden, als ob sie ungeachtet der | ||||||
| 04 | ihnen beigemessenen hoffnungslosen Naturbeschaffenheit ihres Gemüths | ||||||
| 05 | eben so verantwortlich blieben, als jeder andere Mensch. Dieses würde | ||||||
| 06 | nicht geschehen können, wenn wir nicht voraussetzten, daß alles, was aus | ||||||
| 07 | seiner Willkür entspringt (wie ohne Zweifel jede vorsetzlich verübte Handlung), | ||||||
| 08 | eine freie Causalität zum Grunde habe, welche von der frühen | ||||||
| 09 | Jugend an ihren Charakter in ihren Erscheinungen (den Handlungen) | ||||||
| 10 | ausdrückt, die wegen der Gleichförmigkeit des Verhaltens einen Naturzusammenhang | ||||||
| 11 | kenntlich machen, der aber nicht die arge Beschaffenheit des | ||||||
| 12 | Willens nothwendig macht, sondern vielmehr die Folge der freiwillig angenommenen | ||||||
| 13 | bösen und unwandelbaren Grundsätze ist, welche ihn nur noch | ||||||
| 14 | um desto verwerflicher und strafwürdiger machen. | ||||||
| 15 | Aber noch steht eine Schwierigkeit der Freiheit bevor, so fern sie | ||||||
| 16 | mit dem Naturmechanism in einem Wesen, das zur Sinnenwelt gehört, | ||||||
| 17 | vereinigt werden soll; eine Schwierigkeit, die, selbst nachdem alles bisherige | ||||||
| 18 | eingewilligt worden, der Freiheit dennoch mit ihrem gänzlichen | ||||||
| 19 | Untergange droht. Aber bei dieser Gefahr giebt ein Umstand doch zugleich | ||||||
| 20 | Hoffnung zu einem für die Behauptung der Freiheit noch glücklichen | ||||||
| 21 | Ausgange, nämlich daß dieselbe Schwierigkeit viel stärker (in der | ||||||
| 22 | That, wie wir bald sehen werden, allein) das System drückt, in welchem | ||||||
| 23 | die in Zeit und Raum bestimmbare Existenz für die Existenz der Dinge | ||||||
| 24 | an sich selbst gehalten wird, sie uns also nicht nöthigt, unsere vornehmste | ||||||
| 25 | Voraussetzung von der Idealität der Zeit als bloßer Form sinnlicher Anschauung, | ||||||
| 26 | folglich als bloßer Vorstellungsart, die dem Subjecte als zur | ||||||
| 27 | Sinnenwelt gehörig eigen ist, abzugeben, und also nur erfordert sie mit | ||||||
| 28 | dieser Idee zu vereinigen. | ||||||
| 29 | Wenn man uns nämlich auch einräumt, daß das intelligibele Subject | ||||||
| 30 | in Ansehung einer gegebenen Handlung noch frei sein kann, obgleich | ||||||
| 31 | es als Subject, das auch zur Sinnenwelt gehörig, in Ansehung derselben | ||||||
| 32 | mechanisch bedingt ist, so scheint es doch, man müsse, so bald man annimmt, | ||||||
| 33 | Gott als allgemeines Urwesen sei die Ursache auch der Existenz | ||||||
| 34 | der Substanz (ein Satz, der niemals aufgegeben werden darf, | ||||||
| 35 | ohne den Begriff von Gott als Wesen aller Wesen und hiemit seine Allgenugsamkeit, | ||||||
| 36 | auf die alles in der Theologie ankommt, zugleich mit aufzugeben), | ||||||
| 37 | auch einräumen, die Handlungen des Menschen haben in | ||||||
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