Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 097

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Freiheit übrig lassen, welche als Unabhängigkeit von      
  02 allem Empirischen und also von der Natur überhaupt gedacht werden muß,      
  03 sie mag nun als Gegenstand des inneren Sinnes blos in der Zeit, oder      
  04 auch äußeren Sinne im Raume und der Zeit zugleich betrachtet werden,      
  05 ohne welche Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die allein      
  06 a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz, keine Zurechnung nach demselben      
  07 möglich ist. Eben um deswillen kann man auch alle Nothwendigkeit      
  08 der Begebenheiten in der Zeit nach dem Naturgesetze der Causalität      
  09 den Mechanismus der Natur nennen, ob man gleich darunter nicht versteht,      
  10 daß Dinge, die ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschinen      
  11 sein müßten. Hier wird nur auf die Nothwendigkeit der Verknüpfung      
  12 der Begebenheiten in einer Zeitreihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze      
  13 entwickelt, gesehen, man mag nun das Subject, in welchem dieser      
  14 Ablauf geschieht, Automaton materiale , da das Maschinenwesen durch      
  15 Materie, oder mit Leibnizen spirituale , da es durch Vorstellungen betrieben      
  16 wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres Willens keine andere      
  17 als die letztere (etwa die psychologische und comparative, nicht transscendentale,      
  18 d. i. absolute, zugleich) wäre, so würde sie im Grunde nichts      
  19 besser, als die Freiheit eines Bratenwenders sein, der auch, wenn er einmal      
  20 aufgezogen worden, von selbst seine Bewegungen verrichtet.      
           
  21 Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen Naturmechanismus      
  22 und Freiheit in ein und derselben Handlung an dem vorgelegten Falle      
  23 aufzuheben, muß man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen      
  24 Vernunft gesagt war oder daraus folgt: daß die Naturnothwendigkeit,      
  25 welche mit der Freiheit des Subjects nicht zusammen bestehen kann, blos      
  26 den Bestimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter Zeitbedingungen      
  27 steht, folglich nur denen des handelnden Subjects als Erscheinung,      
  28 daß also so fern die Bestimmungsgründe einer jeden Handlung      
  29 desselben in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehört und      
  30 nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch seine schon begangene      
  31 Thaten und der ihm dadurch bestimmbare Charakter in seinen eigenen      
  32 Augen, als Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendasselbe Subject,      
  33 das sich anderseits auch seiner als Dinges an sich selbst bewußt ist,      
  34 betrachtet auch sein Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen      
  35 steht, sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze, die es sich durch      
  36 Vernunft selbst giebt, und in diesem seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend      
  37 vor seiner Willensbestimmung, sondern jede Handlung und überhaupt      
           
     

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