| Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 094 | |||||||
| Zeile: 
 | Text (Kant): 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| 01 | Freiheit auch durch Unabhängigkeit des Willens von jedem anderen außer | ||||||
| 02 | allein dem moralischen Gesetze definiren könnte. Allein die Freiheit einer | ||||||
| 03 | wirkenden Ursache, vornehmlich in der Sinnenwelt, kann ihrer Möglichkeit | ||||||
| 04 | nach keinesweges eingesehen werden; glücklich! wenn wir nur, daß kein Beweis | ||||||
| 05 | ihrer Unmöglichkeit stattfindet, hinreichend versichert werden können | ||||||
| 06 | und nun, durchs moralische Gesetz, welches dieselbe postulirt, genöthigt, | ||||||
| 07 | eben dadurch auch berechtigt werden, sie anzunehmen. Weil es indessen | ||||||
| 08 | noch viele giebt, welche diese Freiheit noch immer glauben nach empirischen | ||||||
| 09 | Principien wie jedes andere Naturvermögen erklären zu können und | ||||||
| 10 | sie als psychologische Eigenschaft, deren Erklärung lediglich auf eine | ||||||
| 11 | genauere Untersuchung der Natur der Seele und der Triebfeder des | ||||||
| 12 | Willens ankäme, nicht als transscendentales Prädicat der Causalität | ||||||
| 13 | eines Wesens, das zur Sinnenwelt gehört, (wie es doch hierauf wirklich | ||||||
| 14 | allein ankommt) betrachten und so die herrliche Eröffnung, die uns durch | ||||||
| 15 | reine praktische Vernunft vermittelst des moralischen Gesetzes widerfährt, | ||||||
| 16 | nämlich die Eröffnung einer intelligibelen Welt durch Realisirung des | ||||||
| 17 | sonst transscendenten Begriffs der Freiheit, und hiemit das moralische | ||||||
| 18 | Gesetz selbst, welches durchaus keinen empirischen Bestimmungsgrund annimmt, | ||||||
| 19 | aufheben: so wird es nöthig sein, hier noch etwas zur Verwahrung | ||||||
| 20 | wider dieses Blendwerk und der Darstellung des Empirismus in der | ||||||
| 21 | ganzen blöße seiner Seichtigkeit anzuführen. | ||||||
| 22 | Der Begriff der Causalität als Naturnothwendigkeit zum Unterschiede | ||||||
| 23 | derselben als Freiheit betrifft nur die Existenz der Dinge, so fern | ||||||
| 24 | sie in der Zeit bestimmbar ist, folglich als Erscheinungen im Gegensatze | ||||||
| 25 | ihrer Causalität als Dinge an sich selbst. Nimmt man nun die Bestimmungen | ||||||
| 26 | der Existenz der Dinge in der Zeit für Bestimmungen der | ||||||
| 27 | Dinge an sich selbst (welches die gewöhnlichste Vorstellungsart ist), so | ||||||
| 28 | läßt sich die Nothwendigkeit im Causalverhältnisse mit der Freiheit auf | ||||||
| 29 | keinerlei Weise vereinigen; sondern sie sind einander contradictorisch entgegengesetzt. | ||||||
| 30 | Denn aus der ersteren folgt: daß eine jede Begebenheit, | ||||||
| 31 | folglich auch jede Handlung, die in einem Zeitpunkte vorgeht, unter der | ||||||
| 32 | Bedingung dessen, was in der vorhergehenden Zeit war, nothwendig sei. | ||||||
| 33 | Da nun die vergangene Zeit nicht mehr in meiner Gewalt ist, so mu | ||||||
| 34 | jede Handlung, die ich ausübe, durch bestimmende Gründe, die nicht in | ||||||
| 35 | meiner Gewalt sind, nothwendig sein, d. i. ich bin in dem Zeitpunkte, | ||||||
| 36 | darin ich handle, niemals frei. Ja, wenn ich gleich mein ganzes Dasein | ||||||
| 37 | als unabhängig von irgend einer fremden Ursache (etwa von Gott) annähme, | ||||||
| [ Seite 093 ] [ Seite 095 ] [ Inhaltsverzeichnis ] | |||||||