Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 093

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gesetz vor, an dem er die Nichtswürdigkeit eines Lügners erkennt, sofort      
  02 verläßt seine praktische Vernunft (im Urtheil über das, was von ihm geschehen      
  03 sollte) den Vortheil, vereinigt sich mit dem, was ihm die Achtung      
  04 für seine eigene Person erhält (der Wahrhaftigkeit), und der Vortheil wird      
  05 nun von jedermann, nachdem er von allem Anhängsel der Vernunft (welche      
  06 nur gänzlich auf der Seite der Pflicht ist) abgesondert und gewaschen      
  07 worden, gewogen, um mit der Vernunft noch wohl in anderen Fällen in      
  08 Verbindung zu treten, nur nicht wo er dem moralischen Gesetze, welches      
  09 die Vernunft niemals verläßt, sondern sich innigst damit vereinigt, zuwider      
  10 sein könnte.      
           
  11 Aber diese Unterscheidung des Glückseligkeitsprincips von dem      
  12 der Sittlichkeit ist darum nicht sofort Entgegensetzung beider, und die      
  13 reine praktische Vernunft will nicht, man solle die Ansprüche auf Glückseligkeit      
  14 aufgeben, sondern nur, so bald von Pflicht die Rede ist, darauf      
  15 gar nicht Rücksicht nehmen. Es kann sogar in gewissem Betracht Pflicht      
  16 sein, für seine Glückseligkeit zu sorgen: theils weil sie (wozu Geschicklichkeit,      
  17 Gesundheit, Reichthum gehört) Mittel zu Erfüllung seiner Pflicht      
  18 enthält, theils weil der Mangel derselben (z. B. Armuth) Versuchungen      
  19 enthält, seine Pflicht zu übertreten. Nur, seine Glückseligkeit zu befördern,      
  20 kann unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Princip aller Pflicht      
  21 sein. Da nun alle Bestimmungsgründe des Willens außer dem einigen      
  22 reinen praktischen Vernunftgesetze (dem moralischen) insgesammt empirisch      
  23 sind, als solche also zum Glückseligkeitsprincip gehören, so müssen sie      
  24 insgesammt vom obersten sittlichen Grundsatze abgesondert und ihm nie      
  25 als Bedingung einverleibt werden, weil dieses eben so sehr allen sittlichen      
  26 Werth, als empirische Beimischung zu geometrischen Grundsätzen alle      
  27 mathematische Evidenz, das vortrefflichste, was (nach Platos Urtheile)      
  28 die Mathematik an sich hat, und das selbst allem Nutzen derselben vorgeht,      
  29 aufheben würde.      
           
  30 Statt der Deduction des obersten Princips der reinen praktischen      
  31 Vernunft, d. i. der Erklärung der Möglichkeit einer dergleichen Erkenntniß      
  32 a priori, konnte aber nichts weiter angeführt werden, als daß, wenn      
  33 man die Möglichkeit der Freiheit einer wirkenden Ursache einsähe, man      
  34 auch nicht etwa blos die Möglichkeit, sondern gar die Nothwendigkeit des      
  35 moralischen Gesetzes als obersten praktischen Gesetzes vernünftiger Wesen,      
  36 denen man Freiheit der Causalität ihres Willens beilegt, einsehen würde:      
  37 weil beide Begriffe so unzertrennlich verbunden sind, daß man praktische      
           
     

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