Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 087 |
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01 | in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein solchen unbedingten | ||||||
02 | praktischen Gesetzen als das moralische angemessen ist) unter sich | ||||||
03 | hat. Es ist nichts anders als die Persönlichkeit, d. i. die Freiheit und | ||||||
04 | Unabhängigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als | ||||||
05 | ein Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigenthümlichen, nämlich | ||||||
06 | von seiner eigenen Vernunft gegebenen, reinen praktischen Gesetzen, die | ||||||
07 | Person also, als zur Sinnenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen | ||||||
08 | ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört; da es denn | ||||||
09 | nicht zu verwundern ist, wenn der Mensch, als zu beiden Welten gehörig, | ||||||
10 | sein eigenes Wesen in Beziehung auf seine zweite und höchste Bestimmung | ||||||
11 | nicht anders als mit Verehrung und die Gesetze derselben mit der höchsten | ||||||
12 | Achtung betrachten muß. | ||||||
13 | Auf diesen Ursprung gründen sich nun manche Ausdrücke, welche den | ||||||
14 | Werth der Gegenstände nach moralischen Ideen bezeichnen. Das moralische | ||||||
15 | Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unheilig genug, | ||||||
16 | aber die Menschheit in seiner Person muß ihm heilig sein. In | ||||||
17 | der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas | ||||||
18 | vermag, auch blos als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch und | ||||||
19 | mit ihm jedes vernünftige Geschöpf ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich | ||||||
20 | das Subject des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der | ||||||
21 | Autonomie seiner Freiheit. Eben um dieser Willen ist jeder Wille, selbst | ||||||
22 | jeder Person ihr eigener, auf sich selbst gerichteter Wille auf die Bedingung | ||||||
23 | der Einstimmung mit der Autonomie des vernünftigen Wesens | ||||||
24 | eingeschränkt, es nämlich keiner Absicht zu unterwerfen, die nicht nach | ||||||
25 | einem Gesetze, welches aus dem Willen des leidenden Subjects selbst entspringen | ||||||
26 | könnte, möglich ist; also dieses niemals blos als Mittel, sondern | ||||||
27 | zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen. Diese Bedingung legen wir mit | ||||||
28 | Recht sogar dem göttlichen Willen in Ansehung der vernünftigen Wesen | ||||||
29 | in der Welt als seiner Geschöpfe bei, indem sie auf der Persönlichkeit | ||||||
30 | derselben beruht, dadurch allein sie Zwecke an sich selbst sind. | ||||||
31 | Diese Achtung erweckende Idee der Persönlichkeit, welche uns die Erhabenheit | ||||||
32 | unserer Natur (ihrer Bestimmung nach) vor Augen stellt, indem | ||||||
33 | sie uns zugleich den Mangel der Angemessenheit unseres Verhaltens in | ||||||
34 | Ansehung derselben bemerken läßt und dadurch den Eigendünkel niederschlägt, | ||||||
35 | ist selbst der gemeinsten Menschenvernunft natürlich und leicht bemerklich. | ||||||
36 | Hat nicht jeder auch nur mittelmäßig ehrliche Mann bisweilen | ||||||
37 | gefunden, daß er eine sonst unschädliche Lüge, dadurch er sich entweder | ||||||
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