Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 085 |
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01 | stimmt, dadurch man sie in den Wahn versetzt, als wäre es nicht | ||||||
02 | Pflicht, d. i. Achtung fürs Gesetz, dessen Joch (das gleichwohl, weil es | ||||||
03 | uns Vernunft selbst auferlegt, sanft ist) sie, wenn gleich ungern, tragen | ||||||
04 | müßten, was den Bestimmungsgrund ihrer Handlungen ausmachte, und | ||||||
05 | welches sie immer noch demüthigt, indem sie es befolgen (ihm gehorchen); | ||||||
06 | sondern als ob jene Handlungen nicht aus Pflicht, sondern als | ||||||
07 | baarer Verdienst von ihnen erwartet würden. Denn nicht allein daß sie | ||||||
08 | durch Nachahmung solcher Thaten, nämlich aus solchem Princip, nicht im | ||||||
09 | mindesten dem Geiste des Gesetzes ein Genüge gethan hätten, welcher in | ||||||
10 | der dem Gesetze sich unterwerfenden Gesinnung, nicht in der Gesetzmäßigkeit | ||||||
11 | der Handlung (das Princip möge sein, welches auch wolle) besteht, | ||||||
12 | und die Triebfeder pathologisch (in der Sympathie oder auch Philautie), | ||||||
13 | nicht moralisch (im Gesetze) setzen, so bringen sie auf diese Art eine windige, | ||||||
14 | überfliegende, phantastische Denkungsart hervor, sich mit einer freiwilligen | ||||||
15 | Gutartigkeit ihres Gemüths, das weder Sporns noch Zügel bedürfe, | ||||||
16 | für welches gar nicht einmal ein Gebot nöthig sei, zu schmeicheln | ||||||
17 | und darüber ihre Schuldigkeit, an welche sie doch eher denken sollten als | ||||||
18 | an Verdienst, zu vergessen. Es lassen sich wohl Handlungen anderer, die | ||||||
19 | mit großer Aufopferung und zwar blos um der Pflicht willen geschehen | ||||||
20 | sind, unter dem Namen edler und erhabener Thaten preisen, und doch | ||||||
21 | auch nur so fern Spuren da sind, welche vermuthen lassen, daß sie ganz | ||||||
22 | aus Achtung für seine Pflicht, nicht aus Herzensaufwallungen geschehen | ||||||
23 | sind. Will man jemanden aber sie als Beispiele der Nachfolge vorstellen, | ||||||
24 | so muß durchaus die Achtung für Pflicht (als das einzige ächte moralische | ||||||
25 | Gefühl) zur Triebfeder gebraucht werden: diese ernste, heilige Vorschrift, | ||||||
26 | die es nicht unserer eitelen Selbstliebe überläßt, mit pathologischen Antrieben | ||||||
27 | (so fern sie der Moralität analogisch sind) zu tändeln und uns auf | ||||||
28 | verdienstlichen Werth was zu Gute zu thun. Wenn wir nur wohl nachsuchen, | ||||||
29 | so werden wir zu allen Handlungen, die anpreisungswürdig sind, | ||||||
30 | schon ein Gesetz der Pflicht finden, welches gebietet und nicht auf unser | ||||||
31 | Belieben ankommen läßt, was unserem Hange gefällig sein möchte. Das | ||||||
32 | ist die einzige Darstellungsart, welche die Seele moralisch bildet, weil sie | ||||||
33 | allein fester und genau bestimmter Grundsätze fähig ist. | ||||||
34 | Wenn Schwärmerei in der allergemeinsten Bedeutung eine nach | ||||||
35 | Grundsätzen unternommene Überschreitung der Grenzen der menschlichen | ||||||
36 | Vernunft ist, so ist moralische Schwärmerei diese Überschreitung der | ||||||
37 | Grenzen, die die praktische reine Vernunft der Menschheit setzt, dadurch | ||||||
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