Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 082 |
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| 01 | fürs Gesetz, welche mit Furcht oder wenigstens Besorgniß vor Übertretung | ||||||
| 02 | verbunden ist, wir wie die über alle Abhängigkeit erhabene Gottheit von | ||||||
| 03 | selbst, gleichsam durch eine uns zur Natur gewordene, niemals zu verrückende | ||||||
| 04 | Übereinstimmung des Willens mit dem reinen Sittengesetze (welches | ||||||
| 05 | also, da wir niemals versucht werden könnten, ihm untreu zu werden, | ||||||
| 06 | wohl endlich gar aufhören könnte für uns Gebot zu sein), jemals in den | ||||||
| 07 | Besitz einer Heiligkeit des Willens kommen könnten. | ||||||
| 08 | Das moralische Gesetz ist nämlich für den Willen eines allervollkommensten | ||||||
| 09 | Wesens ein Gesetz der Heiligkeit, für den Willen jedes endlichen | ||||||
| 10 | vernünftigen Wesens aber ein Gesetz der Pflicht, der moralischen | ||||||
| 11 | Nöthigung, und der Bestimmung der Handlungen desselben durch Achtung | ||||||
| 12 | für dies Gesetz und aus Ehrfurcht für seine Pflicht. Ein anderes | ||||||
| 13 | subjectives Princip muß zur Triebfeder nicht angenommen werden, denn | ||||||
| 14 | sonst kann zwar die Handlung, wie das Gesetz sie vorschreibt, ausfallen, | ||||||
| 15 | aber da sie zwar pflichtmäßig ist, aber nicht aus Pflicht geschieht, so ist | ||||||
| 16 | die Gesinnung dazu nicht moralisch, auf die es doch in dieser Gesetzgebung | ||||||
| 17 | eigentlich ankommt. | ||||||
| 18 | Es ist sehr schön, aus Liebe zu Menschen und theilnehmendem Wohlwollen | ||||||
| 19 | ihnen Gutes zu thun, oder aus Liebe zur Ordnung gerecht zu sein, | ||||||
| 20 | aber das ist noch nicht die ächte moralische Maxime unsers Verhaltens, | ||||||
| 21 | die unserm Standpunkte unter vernünftigen Wesen als Menschen angemessen | ||||||
| 22 | ist, wenn wir uns anmaßen, gleichsam als Volontäre uns mit | ||||||
| 23 | stolzer Einbildung über den Gedanken von Pflicht wegzusetzen und, als | ||||||
| 24 | vom Gebote unabhängig, blos aus eigener Lust das thun zu wollen, wozu | ||||||
| 25 | für uns kein Gebot nöthig wäre. Wir stehen unter einer Disciplin der | ||||||
| 26 | Vernunft und müssen in allen unseren Maximen der Unterwürfigkeit unter | ||||||
| 27 | derselben nicht vergessen, ihr nichts zu entziehen, oder dem Ansehen des | ||||||
| 28 | Gesetzes (ob es gleich unsere eigene Vernunft giebt) durch eigenliebigen | ||||||
| 29 | Wahn dadurch etwas abzukürzen, daß wir den Bestimmungsgrund unseres | ||||||
| 30 | Willens, wenn gleich dem Gesetze gemäß, doch worin anders als im | ||||||
| 31 | Gesetze selbst und in der Achtung für dieses Gesetz setzten. Pflicht und | ||||||
| 32 | Schuldigkeit sind die Benennungen, die wir allein unserem Verhältnisse | ||||||
| 33 | zum moralischen Gesetze geben müssen. Wir sind zwar gesetzgebende Glieder | ||||||
| 34 | eines durch Freiheit möglichen, durch praktische Vernunft uns zur | ||||||
| 35 | Achtung vorgestellten Reichs der Sitten, aber doch zugleich Unterthanen, | ||||||
| 36 | nicht das Oberhaupt desselben, und die Verkennung unserer niederen Stufe | ||||||
| 37 | als Geschöpfe und Weigerung des Eigendünkels gegen das Ansehen des | ||||||
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