Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 079 |
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| 01 | können. Weil aber dasselbe Gesetz doch objectiv, d. i. in der Vorstellung | ||||||
| 02 | der reinen Vernunft, ein unmittelbarer Bestimmungsgrund des Willens | ||||||
| 03 | ist, folglich diese Demüthigung nur relativ auf die Reinigkeit des Gesetzes | ||||||
| 04 | stattfindet, so ist die Herabsetzung der Ansprüche der moralischen Selbstschätzung, | ||||||
| 05 | d. i. die Demüthigung auf der sinnlichen Seite, eine Erhebung | ||||||
| 06 | der moralischen, d. i. der praktischen Schätzung des Gesetzes selbst, auf der | ||||||
| 07 | intellectuellen, mit einem Worte Achtung fürs Gesetz, also auch ein seiner | ||||||
| 08 | intellectuellen Ursache nach positives Gefühl, das a priori erkannt wird. | ||||||
| 09 | Denn eine jede Verminderung der Hindernisse einer Thätigkeit ist Beförderung | ||||||
| 10 | dieser Thätigkeit selbst. Die Anerkennung des moralischen Gesetzes | ||||||
| 11 | aber ist das Bewußtsein einer Thätigkeit der praktischen Vernunft aus | ||||||
| 12 | objectiven Gründen, die blos darum nicht ihre Wirkung in Handlungen | ||||||
| 13 | äußert, weil subjective Ursachen (pathologische) sie hindern. Also muß die | ||||||
| 14 | Achtung fürs moralische Gesetz auch als positive, aber indirecte Wirkung | ||||||
| 15 | desselben aufs Gefühl, so fern jenes den hindernden Einfluß der Neigungen | ||||||
| 16 | durch Demüthigung des Eigendünkels schwächt, mithin als subjectiver | ||||||
| 17 | Grund der Thätigkeit, d. i. als Triebfeder zu Befolgung desselben, und | ||||||
| 18 | als Grund zu Maximen eines ihm gemäßen Lebenswandels angesehen | ||||||
| 19 | werden. Aus dem Begriffe einer Triebfeder entspringt der eines Interesse, | ||||||
| 20 | welches niemals einem Wesen, als was Vernunft hat, beigelegt wird | ||||||
| 21 | und eine Triebfeder des Willens bedeutet, so fern sie durch Vernunft | ||||||
| 22 | vorgestellt wird. Da das Gesetz selbst in einem moralisch guten Willen | ||||||
| 23 | die Triebfeder sein muß, so ist das moralische Interesse ein reines | ||||||
| 24 | sinnenfreies Interesse der bloßen praktischen Vernunft. Auf dem Begriffe | ||||||
| 25 | eines Interesse gründet sich auch der einer Maxime. Diese ist also nur | ||||||
| 26 | alsdann moralisch ächt, wenn sie auf dem bloßen Interesse, das man an | ||||||
| 27 | der Befolgung des Gesetzes nimmt, beruht. Alle drei Begriffe aber, der | ||||||
| 28 | einer Triebfeder, eines Interesse und einer Maxime, können nur | ||||||
| 29 | auf endliche Wesen angewandt werden. Denn sie setzen insgesammt eine | ||||||
| 30 | Eingeschränktheit der Natur eines Wesens voraus, da die subjective Beschaffenheit | ||||||
| 31 | seiner Willkür mit dem objectiven Gesetze einer praktischen | ||||||
| 32 | Vernunft nicht von selbst übereinstimmt; ein Bedürfniß, irgend wodurch | ||||||
| 33 | zur Thätigkeit angetrieben zu werden, weil ein inneres Hinderniß derselben | ||||||
| 34 | entgegensteht. Auf den göttlichen Willen können sie also nicht angewandt | ||||||
| 35 | werden. | ||||||
| 36 | Es liegt so etwas Besonderes in der grenzenlosen Hochschätzung des | ||||||
| 37 | reinen, von allem Vortheil entblößten moralischen Gesetzes, so wie es praktische | ||||||
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