Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 078

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eine ihnen proportionirte Thätigkeit auch Achtung oder ein mit derselben      
  02 analogisches Gefühl bewirken, es ist auch ganz anständig es ihnen zu      
  03 widmen, und da scheint es, als ob Bewunderung mit jener Empfindung      
  04 einerlei sei. Allein wenn man näher zusieht, so wird man bemerken, daß,      
  05 da es immer ungewiß bleibt, wie viel das angeborne Talent und wie viel      
  06 Cultur durch eigenen Fleiß an der Geschicklichkeit Theil habe, so stellt uns      
  07 die Vernunft die letztere muthmaßlich als Frucht der Cultur, mithin als      
  08 Verdienst vor, welches unseren Eigendünkel merklich herabstimmt und uns      
  09 darüber entweder Vorwürfe macht, oder uns die Befolgung eines solchen      
  10 Beispiels in der Art, wie es uns angemessen ist, auferlegt. Sie ist also      
  11 nicht bloße Bewunderung, diese Achtung, die wir einer solchen Person      
  12 (eigentlich dem Gesetze, was uns sein Beispiel vorhält) beweisen; welches      
  13 sich auch dadurch bestätigt, daß der gemeine Haufe der Liebhaber, wenn er      
  14 das Schlechte des Charakters eines solchen Mannes (wie etwa Voltaire)      
  15 sonst woher erkundigt zu haben glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt,      
  16 der wahre Gelehrte aber sie noch immer wenigstens im Gesichtspunkte      
  17 seiner Talente fühlt, weil er selbst in einem Geschäfte und Berufe verwickelt      
  18 ist, welches die Nachahmung desselben ihm gewissermaßen zum Gesetze      
  19 macht.      
           
  20 Achtung fürs moralische Gesetz ist also die einzige und zugleich unbezweifelte      
  21 moralische Triebfeder, so wie dieses Gefühl auch auf kein Object      
  22 anders, als lediglich aus diesem Grunde gerichtet ist. Zuerst bestimmt      
  23 das moralische Gesetz objectiv und unmittelbar den Willen im Urtheile der      
  24 Vernunft; Freiheit, deren Causalität blos durchs Gesetz bestimmbar ist,      
  25 besteht aber eben darin, daß sie alle Neigungen, mithin die Schätzung der      
  26 Person selbst auf die Bedingung der Befolgung ihres reinen Gesetzes einschränkt.      
  27 Diese Einschränkung thut nun eine Wirkung aufs Gefühl und      
  28 bringt Empfindung der Unlust hervor, die aus dem moralischen Gesetze      
  29 a priori erkannt werden kann. Da sie aber blos so fern eine negative Wirkung      
  30 ist, die, als aus dem Einflusse einer reinen praktischen Vernunft entsprungen,      
  31 vornehmlich der Thätigkeit des Subjects, so fern Neigungen die      
  32 Bestimmungsgründe desselben sind, mithin der Meinung seines persönlichen      
  33 Werths Abbruch thut (der ohne Einstimmung mit dem moralischen      
  34 Gesetze auf nichts herabgesetzt wird), so ist die Wirkung dieses Gesetzes      
  35 aufs Gefühl blos Demüthigung, welche wir also zwar a priori einsehen,      
  36 aber an ihr nicht die Kraft des reinen praktischen Gesetzes als Triebfeder,      
  37 sondern nur den Widerstand gegen Triebfedern der Sinnlichkeit erkennen      
           
     

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