Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 075 |
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| 01 | welche einerseits blos negativ ist, andererseits und zwar in Ansehung | ||||||
| 02 | des einschränkenden Grundes der reinen praktischen Vernunft positiv ist, | ||||||
| 03 | und wozu gar keine besondere Art von Gefühle unter dem Namen eines | ||||||
| 04 | praktischen oder moralischen als vor dem moralischen Gesetze vorhergehend | ||||||
| 05 | und ihm zum Grunde liegend angenommen werden darf. | ||||||
| 06 | Die negative Wirkung auf Gefühl (der Unannehmlichkeit) ist, so wie | ||||||
| 07 | aller Einfluß auf dasselbe und wie jedes Gefühl überhaupt, pathologisch. | ||||||
| 08 | Als Wirkung aber vom Bewußtsein des moralischen Gesetzes, folglich in | ||||||
| 09 | Beziehung auf eine intelligibele Ursache, nämlich das Subject der reinen | ||||||
| 10 | praktischen Vernunft als obersten Gesetzgeberin, heißt dieses Gefühl eines | ||||||
| 11 | vernünftigen von Neigungen afficirten Subjects zwar Demüthigung (intellectuelle | ||||||
| 12 | Verachtung), aber in Beziehung auf den positiven Grund derselben, | ||||||
| 13 | das Gesetz, zugleich Achtung für dasselbe, für welches Gesetz gar | ||||||
| 14 | kein Gefühl stattfindet, sondern im Urtheile der Vernunft, indem es den | ||||||
| 15 | Widerstand aus dem Wege schafft, die Wegräumung eines Hindernisses | ||||||
| 16 | einer positiven Beförderung der Causalität gleichgeschätzt wird. Darum | ||||||
| 17 | kann dieses Gefühl nun auch ein Gefühl der Achtung fürs moralische Gesetz, | ||||||
| 18 | aus beiden Gründen zusammen aber ein moralisches Gefühl genannt | ||||||
| 19 | werden. | ||||||
| 20 | Das moralische Gesetz also, so wie es formaler Bestimmungsgrund | ||||||
| 21 | der Handlung ist, durch praktische reine Vernunft, so wie es zwar auch | ||||||
| 22 | materialer, aber nur objectiver Bestimmungsgrund der Gegenstände der | ||||||
| 23 | Handlung unter dem Namen des Guten und Bösen ist, so ist es auch subjectiver | ||||||
| 24 | Bestimmungsgrund, d. i. Triebfeder, zu dieser Handlung, indem | ||||||
| 25 | es auf die Sinnlichkeit des Subjects Einfluß hat und ein Gefühl bewirkt, | ||||||
| 26 | welches dem Einflusse des Gesetzes auf den Willen beförderlich ist. Hier | ||||||
| 27 | geht kein Gefühl im Subject vorher, das auf Moralität gestimmt wäre. | ||||||
| 28 | Denn das ist unmöglich, weil alles Gefühl sinnlich ist; die Triebfeder der | ||||||
| 29 | sittlichen Gesinnung aber muß von aller sinnlichen Bedingung frei sein. | ||||||
| 30 | Vielmehr ist das sinnliche Gefühl, was allen unseren Neigungen zum | ||||||
| 31 | Grunde liegt, zwar die Bedingung derjenigen Empfindung, die wir Achtung | ||||||
| 32 | nennen, aber die Ursache der Bestimmung desselben liegt in der reinen | ||||||
| 33 | praktischen Vernunft, und diese Empfindung kann daher ihres Ursprunges | ||||||
| 34 | wegen nicht pathologisch, sondern muß praktisch gewirkt heißen: indem | ||||||
| 35 | dadurch, daß die Vorstellung des moralischen Gesetzes der Selbstliebe den | ||||||
| 36 | Einfluß und dem Eigendünkel den Wahn benimmt, das Hinderniß der | ||||||
| 37 | reinen praktischen Vernunft vermindert und die Vorstellung des Vorzuges | ||||||
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