Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 068 |
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01 | nicht Naturgesetz durch empirische Bestimmungsgründe, sondern ein Gesetz | ||||||
02 | der Freiheit, nach welchem der Wille unabhängig von allem Empirischen | ||||||
03 | (blos durch die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt und dessen Form) bestimmbar | ||||||
04 | sein soll, alle vorkommende Fälle zu möglichen Handlungen aber | ||||||
05 | nur empirisch, d. i. zur Erfahrung und Natur gehörig, sein können: so | ||||||
06 | scheint es widersinnisch, in der Sinnenwelt einen Fall antreffen zu wollen, | ||||||
07 | der, da er immer so fern nur unter dem Naturgesetze steht, doch die Anwendung | ||||||
08 | eines Gesetzes der Freiheit auf sich verstatte, und auf welchen | ||||||
09 | die übersinnliche Idee des sittlich Guten, das darin in concreto dargestellt | ||||||
10 | werden soll, angewandt werden könne. Also ist die Urtheilskraft der reinen | ||||||
11 | praktischen Vernunft eben denselben Schwierigkeiten unterworfen, als die | ||||||
12 | der reinen theoretischen, welche letztere gleichwohl, aus denselben zu kommen, | ||||||
13 | ein Mittel zur Hand hatte: nämlich da es in Ansehung des theoretischen | ||||||
14 | Gebrauchs auf Anschauungen ankam, darauf reine Verstandesbegriffe angewandt | ||||||
15 | werden könnten, dergleichen Anschauungen (obzwar nur von | ||||||
16 | Gegenständen der Sinne) doch a priori, mithin, was die Verknüpfung des | ||||||
17 | Mannigfaltigen in denselben betrifft, den reinen Verstandesbegriffen a | ||||||
18 | priori gemäß (als Schemate) gegeben werden können. Hingegen ist das | ||||||
19 | sittlich Gute etwas dem Objecte nach Übersinnliches, für das also in keiner | ||||||
20 | sinnlichen Anschauung etwas Correspondirendes gefunden werden kann, | ||||||
21 | und die Urtheilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen Vernunft scheint | ||||||
22 | daher besonderen Schwierigkeiten unterworfen zu sein, die darauf beruhen, | ||||||
23 | daß ein Gesetz der Freiheit auf Handlungen als Begebenheiten, die in der | ||||||
24 | Sinnenwelt geschehen und also so fern zur Natur gehören, angewandt | ||||||
25 | werden soll. | ||||||
26 | Allein hier eröffnet sich doch wieder eine günstige Aussicht für die | ||||||
27 | reine praktische Urtheilskraft. Es ist bei der Subsumtion einer mir in der | ||||||
28 | Sinnenwelt möglichen Handlung unter einem reinen praktischen Gesetze | ||||||
29 | nicht um die Möglichkeit der Handlung als einer Begebenheit in | ||||||
30 | der Sinnenwelt zu thun; denn die gehört für die Beurtheilung des theoretischen | ||||||
31 | Gebrauchs der Vernunft nach dem Gesetze der Causalität, eines | ||||||
32 | reinen Verstandesbegriffs, für den sie ein Schema in der sinnlichen Anschauung | ||||||
33 | hat. Die physische Causalität, oder die Bedingung, unter der | ||||||
34 | sie stattfindet, gehört unter die Naturbegriffe, deren Schema transscendentale | ||||||
35 | Einbildungskraft entwirft. Hier aber ist es nicht um das Schema | ||||||
36 | eines Falles nach Gesetzen, sondern um das Schema (wenn dieses Wort | ||||||
37 | hier schicklich ist) eines Gesetzes selbst zu thun, weil die Willensbestimmung | ||||||
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