Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 034

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
Anmerkung I
     
           
  02 Zum praktischen Gesetze muß also niemals eine praktische Vorschrift gezählt      
  03 werden, die eine materiale (mithin empirische) Bedingung bei sich führt. Denn das      
  04 Gesetz des reinen Willens, der frei ist, setzt diesen in eine ganz andere Sphäre als      
  05 die empirische, und die Nothwendigkeit, die es ausdrückt, da sie keine Naturnothwendigkeit      
  06 sein soll, kann also blos in formalen Bedingungen der Möglichkeit eines      
  07 Gesetzes überhaupt bestehen. Alle Materie praktischer Regeln beruht immer auf      
  08 subjectiven Bedingungen, die ihr keine Allgemeinheit für vernünftige Wesen, als      
  09 lediglich die bedingte (im Falle ich dieses oder jenes begehre, was ich alsdann      
  10 thun müsse, um es wirklich zu machen) verschaffen, und sie drehen sich insgesammt      
  11 um das Princip der eigenen Glückseligkeit. Nun ist freilich unleugbar, daß      
  12 alles Wollen auch einen Gegenstand, mithin eine Materie haben müsse; aber diese      
  13 ist darum nicht eben der Bestimmungsgrund und Bedingung der Maxime; denn      
  14 ist sie es, so läßt diese sich nicht in allgemein gesetzgebender Form darstellen, weil      
  15 die Erwartung der Existenz des Gegenstandes alsdann die bestimmende Ursache      
  16 der Willkür sein würde, und die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von der      
  17 Existenz irgend einer Sache dem Wollen zum Grunde gelegt werden müßte, welche      
  18 immer nur in empirischen Bedingungen gesucht werden und daher niemals den      
  19 Grund zu einer nothwendigen und allgemeinen Regel abgeben kann. So wird      
  20 fremder Wesen Glückseligkeit das Object des Willens eines vernünftigen Wesens      
  21 sein können. Wäre sie aber der Bestimmungsgrund der Maxime, so müßte man      
  22 voraussetzen, daß wir in dem Wohlsein anderer nicht allein ein natürliches Vergnügen,      
  23 sondern auch ein Bedürfniß finden, so wie die sympathetische Sinnesart      
  24 bei Menschen es mit sich bringt. Aber dieses Bedürfniß kann ich nicht bei jedem      
  25 vernünftigen Wesen (bei Gott gar nicht) voraussetzen. Also kann zwar die Materie      
  26 der Maxime bleiben, sie muß aber nicht die Bedingung derselben sein, denn sonst      
  27 würde diese nicht zum Gesetze taugen. Also die bloße Form eines Gesetzes, welches      
  28 die Materie einschränkt, muß zugleich ein Grund sein, diese Materie zum Willen      
  29 hinzuzufügen, aber sie nicht vorauszusetzen. Die Materie sei z. B. meine eigene      
  30 Glückseligkeit. Diese, wenn ich sie jedem beilege (wie ich es denn in der That bei      
  31 endlichen Wesen thun darf), kann nur alsdann ein objectives praktisches Gesetz      
  32 werden, wenn ich anderer ihre in dieselbe mit einschließe. Also entspringt das      
  33 Gesetz, anderer Glückseligkeit zu befördern, nicht von der Voraussetzung, daß dieses      
  34 ein Object für jedes seine Willkür sei, sondern blos daraus, daß die Form der Allgemeinheit,      
  35 die die Vernunft als Bedingung bedarf, einer Maxime der Selbstliebe      
  36 die objective Gültigkeit eines Gesetzes zu geben, der Bestimmungsgrund des      
  37 Willens wird, und also war das Object (anderer Glückseligkeit) nicht der Bestimmungsgrund      
  38 des reinen Willens, sondern die bloße gesetzliche Form war es allein,      
  39 dadurch ich meine auf Neigung gegründete Maxime einschränkte, um ihr die Allgemeinheit      
           
     

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