Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 033 |
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01 | seiner Maximen und Unwandelbarkeit derselben zum beständigen Fortschreiten | ||||||
02 | sicher zu sein, d. i. Tugend, das Höchste ist, was endliche praktische | ||||||
03 | Vernunft bewirken kann, die selbst wiederum wenigstens als natürlich erworbenes | ||||||
04 | Vermögen nie vollendet sein kann, weil die Sicherheit in solchem Falle niemals | ||||||
05 | apodiktische Gewißheit wird und als Überredung sehr gefährlich ist. | ||||||
06 | § 8. |
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07 | Lehrsatz IV |
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08 | Die Autonomie des Willens ist das alleinige Princip aller moralischen | ||||||
09 | Gesetze und der ihnen gemäßen Pflichten: alle Heteronomie der | ||||||
10 | Willkür gründet dagegen nicht allein gar keine Verbindlichkeit, sondern ist | ||||||
11 | vielmehr dem Princip derselben und der Sittlichkeit des Willens entgegen. | ||||||
12 | In der Unabhängigkeit nämlich von aller Materie des Gesetzes (nämlich | ||||||
13 | einem begehrten Objecte) und zugleich doch Bestimmung der Willkür durch | ||||||
14 | die bloße allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fähig sein | ||||||
15 | muß, besteht das alleinige Princip der Sittlichkeit. Jene Unabhängigkeit | ||||||
16 | aber ist Freiheit im negativen, diese eigene Gesetzgebung aber | ||||||
17 | der reinen und als solche praktischen Vernunft ist Freiheit im positiven | ||||||
18 | Verstande. Also drückt das moralische Gesetz nichts anders aus, als die | ||||||
19 | Autonomie der reinen praktischen Vernunft, d. i. der Freiheit, und diese | ||||||
20 | ist selbst die formale Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit | ||||||
21 | dem obersten praktischen Gesetze zusammenstimmen können. Wenn daher | ||||||
22 | die Materie des wollens, welche nichts anders als das Object einer Begierde | ||||||
23 | sein kann, die mit dem Gesetz verbunden wird, in das praktische | ||||||
24 | Gesetz als Bedingung der Möglichkeit desselben hineinkommt, so wird | ||||||
25 | daraus Heteronomie der Willkür, nämlich Abhängigkeit vom Naturgesetze, | ||||||
26 | irgend einem Antriebe oder Neigung zu folgen, und der Wille giebt sich | ||||||
27 | nicht selbst das Gesetz, sondern nur die Vorschrift zur vernünftigen Befolgung | ||||||
28 | pathologischer Gesetze; die Maxime aber, die auf solche Weise | ||||||
29 | niemals die allgemein=gesetzgebende Form in sich enthalten kann, stiftet | ||||||
30 | auf diese Weise nicht allein keine Verbindlichkeit, sondern ist selbst dem | ||||||
31 | Princip einer reinen praktischen Vernunft, hiemit also auch der sittlichen | ||||||
32 | Gesinnung entgegen, wenn gleich die Handlung, die daraus entspringt, gesetzmäßig | ||||||
33 | sein sollte. | ||||||
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