Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 030 |
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01 | jenes als einen durch keine sinnliche Bedingungen zu überwiegenden, ja davon | ||||||
02 | gänzlich unabhängigen Bestimmungsgrund darstellt, gerade auf den Begriff der | ||||||
03 | Freiheit führt. Wie ist aber auch das Bewußtsein jenes moralischen Gesetzes möglich? | ||||||
04 | Wir können uns reiner praktischer Gesetze bewußt werden, eben so wie wir | ||||||
05 | uns reiner theoretischer Grundsätze bewußt sind, indem wir auf die Nothwendigkeit, | ||||||
06 | womit sie uns die Vernunft vorschreibt, und auf Absonderung aller empirischen Bedingungen, | ||||||
07 | dazu uns jene hinweiset, Acht haben. Der Begriff eines reinen Willens | ||||||
08 | entspringt aus den ersteren, wie das Bewußtsein eines reinen Verstandes aus dem | ||||||
09 | letzteren. Daß dieses die wahre Unterordnung unserer Begriffe sei, und Sittlichkeit | ||||||
10 | uns zuerst den Begriff der Freiheit entdecke, mithin praktische Vernunft | ||||||
11 | zuerst der speculativen das unauflöslichste Problem mit diesem Begriffe aufstelle, | ||||||
12 | um sie durch denselben in die größte Verlegenheit zu setzen, erhellt schon daraus: | ||||||
13 | daß, da aus dem Begriffe der Freiheit in den Erscheinungen nichts erklärt werden | ||||||
14 | kann, sondern hier immer Naturmechanism den Leitfaden ausmachen muß, überdem | ||||||
15 | auch die Antinomie der reinen Vernunft, wenn sie zum Unbedingten in der | ||||||
16 | Reihe der Ursachen aufsteigen will, sich bei einem so sehr wie bei dem andern in Unbegreiflichkeiten | ||||||
17 | verwickelt, indessen daß doch der letztere (Mechanism) wenigstens | ||||||
18 | Brauchbarkeit in Erklärung der Erscheinungen hat, man niemals zu dem Wagstücke | ||||||
19 | gekommen sein würde, Freiheit in die Wissenschaft einzuführen, wäre nicht das | ||||||
20 | Sittengesetz und mit ihm praktische Vernunft dazu gekommen und hätte uns diesen | ||||||
21 | Begriff nicht aufgedrungen. Aber auch die Erfahrung bestätigt diese Ordnung der | ||||||
22 | Begriffe in uns. Setzet, daß jemand von seiner wollüstigen Neigung vorgiebt, sie | ||||||
23 | sei, wenn ihm der beliebte Gegenstand und die Gelegenheit dazu vorkämen, für ihn | ||||||
24 | ganz unwiderstehlich: ob, wenn ein Galgen vor dem Hause , da er diese Gelegenheit | ||||||
25 | trifft, aufgerichtet wäre, um ihn sogleich nach genossener Wollust daran zu knüpfen, | ||||||
26 | er alsdann nicht seine Neigung bezwingen würde. Man darf nicht lange rathen, | ||||||
27 | was er antworten würde. Fragt ihn aber, ob, wenn sein Fürst ihm unter Androhung | ||||||
28 | derselben unverzögerten Todesstrafe zumuthete, ein falsches Zeugniß wider einen | ||||||
29 | ehrlichen Mann, den er gerne unter scheinbaren Vorwänden verderben möchte, abzulegen, | ||||||
30 | ob er da, so groß auch seine Liebe zum Leben sein mag, sie wohl zu überwinden | ||||||
31 | für möglich halte. Ob er es thun würde, oder nicht, wird er vielleicht sich | ||||||
32 | nicht getrauen zu versichern; daß es ihm aber möglich sei, muß er ohne Bedenken | ||||||
33 | einräumen. Er urtheilt also, daß er etwas kann, darum weil er sich bewußt ist, daß | ||||||
34 | er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz | ||||||
35 | unbekannt geblieben wäre. | ||||||
36 | § 7. |
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37 | Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft. |
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38 | Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als | ||||||
39 | Princip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. | ||||||
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