Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 013 |
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| 01 | Gültigkeit eines Urtheils (d. i. die Gültigkeit desselben als Erkenntnisses) | ||||||
| 02 | beweise, sondern, wenn jene auch zufälliger Weise zuträfe, dieses doch noch | ||||||
| 03 | nicht einen Beweis der Übereinstimmung mit dem Object abgeben könne; | ||||||
| 04 | vielmehr die objective Gültigkeit allein den Grund einer nothwendigen | ||||||
| 05 | allgemeinen Einstimmung ausmache. | ||||||
| 06 | Hume würde sich bei diesem System des allgemeinen Empirisms | ||||||
| 07 | in Grundsätzen auch sehr wohl befinden; denn er verlangte, wie | ||||||
| 08 | bekannt, nichts mehr, als daß statt aller objectiven Bedeutung der Nothwendigkeit | ||||||
| 09 | im Begriffe der Ursache eine blos subjective, nämlich Gewohnheit, | ||||||
| 10 | angenommen werde, um der Vernunft alles Urtheil über Gott, Freiheit | ||||||
| 11 | und Unsterblichkeit abzusprechen; und er verstand sich gewiß sehr gut | ||||||
| 12 | darauf, um, wenn man ihm nur die Principien zugestand, Schlüsse mit | ||||||
| 13 | aller logischen Bündigkeit daraus zu folgern. Aber so allgemein hat selbst | ||||||
| 14 | Hume den Empirism nicht gemacht, um auch die Mathematik darin einzuschließen. | ||||||
| 15 | Er hielt ihre Sätze für analytisch, und wenn das seine Richtigkeit | ||||||
| 16 | hätte, würden sie in der That auch apodiktisch sein, gleichwohl aber | ||||||
| 17 | daraus kein Schluß auf ein Vermögen der Vernunft, auch in der Philosophie | ||||||
| 18 | apodiktische Urtheile, nämlich solche, die synthetisch wären (wie der | ||||||
| 19 | Satz der Causalität), zu fällen, gezogen werden können. Nähme man aber | ||||||
| 20 | den Empirism der Principien allgemein an, so wäre auch Mathematik | ||||||
| 21 | damit eingeflochten. | ||||||
| 22 | Wenn nun diese mit der Vernunft, die blos empirische Grundsätze | ||||||
| 23 | zuläßt, in Widerstreit geräth, wie dieses in der Antinomie, da Mathematik | ||||||
| 24 | die unendliche Theilbarkeit des Raumes unwidersprechlich beweiset, | ||||||
| 25 | der Empirism aber sie nicht verstatten kann, unvermeidlich ist: so ist | ||||||
| 26 | die größte mögliche Evidenz der Demonstration mit den vorgeblichen | ||||||
| 27 | Schlüssen aus Erfahrungsprincipien in offenbarem Widerspruch, und nun | ||||||
| 28 | muß man wie der Blinde des Cheselden fragen: was betrügt mich, das | ||||||
| 29 | Gesicht oder Gefühl? (Denn der Empirism gründet sich auf einer gefühlten, | ||||||
| 30 | der Rationalism aber auf einer eingesehenen Nothwendigkeit.) | ||||||
| 31 | und so offenbart sich der allgemeine Empirism als den ächten | ||||||
| 32 | Scepticism, den man dem Hume fälschlich in so unbeschränkter Bedeutung | ||||||
| 33 | beilegte*), da er wenigstens einen sicheren Probirstein der Erfahrung | ||||||
| *) Namen, welche einen Sectenanhang bezeichnen, haben zu aller Zeit viel Rechtsverdrehung bei sich geführt; ungefähr so, als wenn jemand sagte: N. ist ein Idealist. Denn ob er gleich durchaus nicht allein einräumt, sondern darauf dringt, [Seitenumbruch] daß unseren Vorstellungen äußerer Dinge wirkliche Gegenstände äußerer Dinge correspondiren, so will er doch, daß die Form der Anschauung derselben nicht ihnen, sondern nur dem menschlichen Gemüthe anhänge. | |||||||
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