Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 012 |
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01 | Auf diese Weise wären denn nunmehr die Principien a priori zweier | ||||||
02 | Vermögen des Gemüths, des Erkenntniß=und Begehrungsvermögens, ausgemittelt | ||||||
03 | und nach den Bedingungen, dem Umfange und Grenzen ihres | ||||||
04 | Gebrauchs bestimmt, hiedurch aber zu einer systematischen, theoretischen | ||||||
05 | sowohl als praktischen Philosophie als Wissenschaft sicherer Grund gelegt. | ||||||
06 | Was Schlimmeres könnte aber diesen Bemühungen wohl nicht begegnen, | ||||||
07 | als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte, daß es überall | ||||||
08 | gar kein Erkenntniß a priori gebe, noch geben könne. Allein es hat hiemit | ||||||
09 | keine Noth. Es wäre eben so viel, als ob jemand durch Vernunft beweisen | ||||||
10 | wollte, daß es keine Vernunft gebe. Denn wir sagen nur, daß wir etwas | ||||||
11 | durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewußt sind, daß wir es auch | ||||||
12 | hätten wissen können, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung vorgekommen | ||||||
13 | wäre; mithin ist Vernunfterkenntniß und Erkenntniß a priori | ||||||
14 | einerlei. Aus einem Erfahrungssatze Nothwendigkeit ( ex pumice aquam ) | ||||||
15 | auspressen wollen, mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein | ||||||
16 | Vernunftschluß, mithin auch nicht der Schluß aus der Analogie, welche | ||||||
17 | eine wenigstens präsumirte Allgemeinheit und objective Nothwendigkeit | ||||||
18 | ist und diese also doch immer voraussetzt) einem Urtheile verschaffen wollen, | ||||||
19 | ist gerader Widerspruch. Subjective Nothwendigkeit, d. i. Gewohnheit, | ||||||
20 | statt der objectiven, die nur in Urtheilen a priori stattfindet, unterschieben, | ||||||
21 | heißt der Vernunft das Vermögen absprechen, über den Gegenstand zu | ||||||
22 | urtheilen, d. i. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z. B. von | ||||||
23 | dem, was öfters und immer auf einen gewissen vorhergenden Zustand | ||||||
24 | folgte, nicht sagen, daß man aus diesem auf jenes schließen könne (denn | ||||||
25 | das würde objective Nothwendigkeit und Begriff von einer Verbindung | ||||||
26 | a priori bedeuten), sondern nur ähnliche Fälle (mit den Thieren auf ähnliche | ||||||
27 | Art) erwarten dürfe, d. i. den Begriff der Ursache im Grunde als | ||||||
28 | falsch und bloßen Gedankenbetrug verwerfen. Diesem Mangel der objectiven | ||||||
29 | und daraus folgenden allgemeinen Gültigkeit dadurch abhelfen | ||||||
30 | wollen, daß man doch keinen Grund sähe, andern vernünftigen Wesen eine | ||||||
31 | andere Vorstellungsart beizulegen, wenn das einen gültigen Schluß abgäbe, | ||||||
32 | so würde uns unsere Unwissenheit mehr Dienste zu Erweiterung | ||||||
33 | unserer Erkenntniß leisten, als alles Nachdenken. Denn blos deswegen, | ||||||
34 | weil wir andere vernünftige Wesen außer dem Menschen nicht kennen, | ||||||
35 | würden wir ein Recht haben, sie als so beschaffen anzunehmen, wie wir | ||||||
36 | uns erkennen, d. i. wir würden sie wirklich kennen. Ich erwähne hier nicht | ||||||
37 | einmal, daß nicht die Allgemeinheit des Fürwahrhaltens die objective | ||||||
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