| Kant: Briefwechsel, Brief 307, An David Friedländer. | |||||||
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| An David Friedländer. | |||||||
| 6. Nov. 1787. | |||||||
| Hochedelgebohrner Herr | |||||||
| Während dem, daß wieder die neuerliche Aufklärungsversuche | |||||||
| allerley Einwürfe gemacht werden, erlauben Sie mir ein solches Mittel | |||||||
| in Vorschlag zu bringen und Sie zum Beförderer derselben zu erbitten, | |||||||
| wieder welches hoffentlich niemand etwas einzuwenden haben wird, | |||||||
| nämlich etwas, das die Industrie, und mit ihr den Wohlstand, wobey | |||||||
| denn gewöhnlich auch bessere Denkungsart sich einzufinden pflegt, ausnehmend | |||||||
| befördern kan. | |||||||
| Herr Bötticher der hier ein Educationsinstitut mit sehr gutem | |||||||
| Fortgange gestiftet hat, und den ich als einen rechtschaffenen, gründlichen | |||||||
| Mann, kenne hat ein Spinnrad ausgedacht, von dessen Effect | |||||||
| er in beyliegendem Blatte, nach seiner Bescheidenheit, weit weniger | |||||||
| Rühmens macht, als es wirklich verdient. Die Probe, welche das | |||||||
| hiesige Policeydirectorium damit auf sein Erfodern machen ließ, geschahe | |||||||
| mit einer von ihnen selbst gewählten gemeinen Spinnerin, die, nach | |||||||
| einer Stunde Übung, damit so gut, als ihrem gewohnten Spinnrade, | |||||||
| umgehen konnte und, was besonders zu merken, da diese, als | |||||||
| eine gichtische Person, sonsten nicht lange im Spinnen anhalten konnte, | |||||||
| ihre Fusbewegung hier so erleichtert fand, daß sie sich damit weit | |||||||
| länger fortzufahren getrauete. Merkwürdig ist besonders der Umstand, | |||||||
| daß, wenn man zwey Fäden Garn spinnen will, sich zugleich von selbst | |||||||
| zwey Fäden Zwirn, von solcher Gleichheit, als es ohne Maschine schwerlich | |||||||
| angeht und so gut als der beste Closterzwirn spinnen, und überhaupt, | |||||||
| um das Mindeste anzugeben, eine gemeine Spinnerin so viel, | |||||||
| als drey auf dem besten gewohnlichen Spinnrade, in derselben Zeit | |||||||
| fertig macht. Auch hat er mich versichert, daß unter den kurzhaarigten | |||||||
| Materialien ausgezupfte Seide, darauf so sein versponnen werden könne, | |||||||
| daß daraus Taffent gewebt werden könnte. | |||||||
| Das hiesige Policeydirectorium schickte die, in Gegenwart ihrer | |||||||
| Abgeordneten verfertigte Proben, an das Fabrikendepartement des | |||||||
| generaldirectorii in Berlin, mit dem Ersuchen, des Erfinders, ihm | |||||||
| dafür eine Königl praemie auszuwirken; und in der That muß der | |||||||
| Nutzen einer solchen Maschine, wenn sie allgemein in Gebrauch gebracht | |||||||
| würde, in Millionen gehen. Es bekam aber zur Antwort: daß, | |||||||
| nach der mitgekommenen, zwar freylich nicht detaillirten Beschreibung, | |||||||
| ein solcher Effect für unmöglich zu halten sey, es wies auch, als man | |||||||
| zum zweyten male die Wirklichkeit desselben dagegen vorstellete, allen | |||||||
| weiteren Gesuch hierüber gänzlich ab. | |||||||
| Nun würde zwar HE. Bötticher, als ein wahrer Weltbürger, gerne | |||||||
| sehen, daß allgemeiner Nutze aus dieser Erfindung gezogen werden | |||||||
| könnte; allein er hat Frau und Kind, und muß auf deren Erhaltung | |||||||
| sehen. Auch würde sich schon Gelegenheit finden, unter den verschiedenen | |||||||
| englischen Schifscapitänen, die hier ankommen, an einen diese Maschine | |||||||
| zu verkaufen, der, da in England, wenn man eine Erfindung, deren | |||||||
| Nützlichkeit durch Proben bewiesen ist, aufzeigte, leicht vom Parlament | |||||||
| ein Privilegium auf 7 Iahre zur ausschlieslichen Verfertigung einer | |||||||
| solchen Maschine erlangt wird, sie ihm abkaufete; aber er zieht billiger | |||||||
| und patriotischer Weise einen Käufer in Königlichen Landen vor. | |||||||
| Zugleich bemerke ich, daß diese Spinnmaschine hier etwa 2 rthlr. zu | |||||||
| verfertigen koste. | |||||||
| Nun ist sein Ansinnen dieses: daß er diese seine Erfindung an | |||||||
| jemanden für 500 rthlr, sage fünfhundert Thaler, dergestalt verkaufen | |||||||
| will, daß er sich auf Gewissen und Ehre verbindlich macht, niemand | |||||||
| anders von der Beschaffenheit derselben Eröfnung zu thun, zugleich | |||||||
| auch Vorschläge zu thun, wie das Geheimnis derselben von niemand | |||||||
| entdeckt werden könne, wenn auch mehrere Exemplare davon verfertigt | |||||||
| werden, mithin dem Besitzer derselben den ausschlieslichen Besitz derselben | |||||||
| zu sicheren. Zugleich unterwirft er sich allen Versuchen, die | |||||||
| man hier mit ihr anzustellen nöthig finden möchte, nur, daß diese | |||||||
| nicht aus bloßer Curiositaet geschehen, sondern nur, wenn man vorläufig | |||||||
| schon über die Bedingungen einig geworden, weil er bisher von | |||||||
| der Neugierde des Publici schon viel Zeitverlust erlitten hat. | |||||||
| Sie haben hier ihre Verwandte. Wen Sie für Sich, oder jemand | |||||||
| anders, der diese Acqvisition zu machen Lust hätte, die Untersuchung | |||||||
| wollen anstellen lassen, so wird sie, vornehmlich bey einem so lauteren | |||||||
| und offenen Manne, als HE. Bötticher ist, auf das pünctlichste geschehen, | |||||||
| und die Proben werden Ihnen dann zugeschickt werden können. | |||||||
| Da bey Fabriken ein solches Werkzeug sich für die ausgelegte | |||||||
| Prämie in Kurzem reichlich bezahlen und der Vortheil in die Augen | |||||||
| fallen muß, so glaube ich, dasselbe Departement, welches vorher hiebey | |||||||
| so spröde that, würde bald freygebig gnug werden, dem Besitzer desselben | |||||||
| das zehnfache von seinem ausgelegten Capital anzubieten, um diese | |||||||
| Maschine zum Gebrauche des Publici zu erkaufen. | |||||||
| Wollten Sie also, im Falle Sie nicht selbst hiezu zu resolviren | |||||||
| Lust hätten, denenjenigen, von denen Sie glauben, daß es sie interessiren | |||||||
| könne, gütigst davon Notiz geben, auch mir gelegentlich von | |||||||
| dem Ausschlage dieser Verhandlung Nachricht zu geben die Güte haben, | |||||||
| so würden Sie mich, Sie würden einen verdienten Mann, meinen | |||||||
| Freund, und sicherlich mit der Zeit das ganze Publicum dadurch verbinden. | |||||||
| Ich bitte meine Empfehlung an meinen lieben Freund Hrn. Hofrath | |||||||
| Herz zu machen: Vielleicht daß er auch einige Gelegenheit ausfindet, | |||||||
| wo der gedachte Vorschlag Eingang fände, und bin mit der vollkommensten | |||||||
| Hochachtung | |||||||
| Ew: Hochedelgeb. | |||||||
| Koenigsberg | ganzergebenster Diener | ||||||
| den 6ten Novembr | I Kant | ||||||
| 1787. | |||||||
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