| Kant: Briefwechsel, Brief 306, Von Karl Adolf Cäsar. | |||||||
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| Von Karl Adolf Cäsar. | |||||||
| 1. Nov. 1787. | |||||||
| Wohlgebohrner Herr, | |||||||
| Verehrungswürdigster Herr Profeßor, | |||||||
| Schon längst war es einer meiner herzlichen Wünsche Ew. Wohlgeb. | |||||||
| auch für meinen Theil für den Unterricht zu danken, welchen ich | |||||||
| Ihren Schriften mit allen Freunden der Philosophie und des gründlichen | |||||||
| Denkens so sehr schuldig bin. Noch nie habe ich es gleichwohl | |||||||
| gewagt meinen Wunsch in That übergehen zu laßen; denn ich war | |||||||
| mir wohl des Vergnügens bewußt, mit welchem ich ihn sagen würde, | |||||||
| aber ich hielt ihn doch für zu unbedeutend, als daß ich Ihnen hätte | |||||||
| zumuthen sollen, ihn anzuhören. Ietzt, da einer meiner jungen Freunde, | |||||||
| aus Königsberg, unsere Universität verläßt und einige wenige Zeit | |||||||
| in Königsberg verweilen wird, jetzt, da ich zugleich die Ehre haben | |||||||
| kann, Ew. Wohlgeb. einen Aufsatz von Hrn. P. Iakob in Halle über | |||||||
| des Hrn. Iacobi Idealismus und Realismus zuzusenden, jetzt hoffe ich, | |||||||
| daß sowohl der Überbringer, als das Übersandte meinem Brief an | |||||||
| Werth etwas zusetzen werden; zum wenigsten ließen es diese beyden | |||||||
| Umstände mich wagen, ihn zu schreiben. Zu Ende des Briefes, welchen | |||||||
| der Hr. P. Iakob an mich einrücken zu laßen beliebet hat, S. 242. | |||||||
| habe ich in einer Anmerkung einen Zweifel gegen die Äußerung beygebracht, | |||||||
| daß wir nicht wißen könnten, ob in den Dingen | |||||||
| außer uns Succeßion sey, oder nicht. Da mir niemand Auskunft | |||||||
| darüber zu geben vermochte, so habe ich ihn öffentlich hingesetzt in der | |||||||
| Hoffnung, daß irgend jemand, der in ihre Kritik noch tiefer, als ich, | |||||||
| eingedrungen ist, mir ihn wohl würde lösen können. Wie sehr wünschte | |||||||
| ich, Ihnen nahe und ein Schüler von Ihnen zu seyn! Begieriger und | |||||||
| dankbarer würde gewiß niemand ihre Lehren auffaßen können, als ich, | |||||||
| und über wie viele Stellen würde nicht ihre mündliche Belehrung auf | |||||||
| einmahl Licht verbreiten, die für meine blöden Augen immernoch mit | |||||||
| einiger Dunkelheit umhüllt zu seyn scheinen. Doch, schon das, was ich | |||||||
| verstehe, ist reiner Gewinn, und ich hoffe, durch fortgesetztes Forschen | |||||||
| mich in ihr neues großes und einziges System immer mehr einzustudieren. | |||||||
| Ich verharre mit unbegränzter Hochachtung und Verehrung | |||||||
| Ew. Wohlgeb. | |||||||
| Leipzig, | gehorsamster Diener | ||||||
| den 1sten Nov. | K. A. Cäsar. | ||||||
| 1787. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 501 ] [ Brief 305 ] [ Brief 307 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||