Kant: Briefwechsel, Gedicht 1, Sr. Hochedelgebohrnen Herr Professor Kant, den 21 sten August 1770. |
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| Sr. Hochedelgebohrnen | |||||||
| Herr Professor Kant, | |||||||
| den 21 sten August 1770. | |||||||
| für die | |||||||
| Professor=Würde | |||||||
| disputirte: | |||||||
| Im Namen | |||||||
| der sämtlichen in Königsberg | |||||||
| studirenden Cur= und Liefländer | |||||||
| aufgesetzt | |||||||
| L . . aus Liefland | |||||||
| Reichsfreyherr von Bruiningk, aus Hugenberger, aus Curland. | |||||||
| Liefland. Lahm, aus Curland. | |||||||
| Baumann, aus Curland Zimmermann, aus Liefland. | |||||||
| Grot, aus Curland. Hesse, aus Liefland. | |||||||
| Hollenhagen, aus Curland. Stein, aus Liefland. | |||||||
| Haaken, aus Curland. von Kleist, aus Curland. | |||||||
| von Müller, aus Liefland. von Kleist, aus Curland. | |||||||
| Lenz, aus Liefland. Pegau, aus Liefland. | |||||||
| Lenz, aus Liefland. Meyer, aus Curland | |||||||
| Königsberg, | |||||||
| gedruckt bey Daniel Christoph Kanter, Königl. Preuß. Hofbuchdrucker. | |||||||
| Mit ächterm Ruhm, als unbesiegte Sieger | |||||||
| Nur groß an Glück, am Herzen wild als Tiger, | |||||||
| Durch Härt und Wuth und unerhörtes Schlachten | |||||||
| Zu haschen trachten; | |||||||
| Mit ächterm Ruhm, als mancher Filz bezahlet, | |||||||
| Der mit des Reimers feiler Demuth prahlet, | |||||||
| Dem Strohmann gleich, den man mit Lappen decket | |||||||
| Und Kinder schröcket; | |||||||
| Mit ächterm Ruhme wird der Mann belohnet | |||||||
| In welchem Tugend bey der Weißheit wohnet, | |||||||
| Der Menschheit Lehrer, der, was er sie lehret, | |||||||
| Selbst übt und ehret: | |||||||
| Des richtig Auge nie ein Schimmer blendte, | |||||||
| Der nie die Thorheit kriechend Weißheit nennte, | |||||||
| Der oft die Maske die wir scheuen müssen | |||||||
| Ihr abgerissen. | |||||||
| Da lag der Orden und des Hofes Waare, | |||||||
| Und Kriegeszeichen, Turban und Tiare, | |||||||
| Der Priestermantel, Schleyer Kutten, Decken, | |||||||
| Die sie verstecken | |||||||
| Und sie stand nackend. Abscheu und Gelächter | |||||||
| Ward ihr zu Theile. Aber die Verächter | |||||||
| Des schlechten Kittels und berauchter Hütten | |||||||
| Samt ihren Sitten | |||||||
| Sahn staunend dort, sie, die den Glanz der Thronen | |||||||
| Verschmähet, dort die hohe Weißheit wohnen, | |||||||
| Die an Verstand und Herzen ungekränket, | |||||||
| Dort lebt und denket. | |||||||
| Schon vielen Augen hat er Licht gegeben, | |||||||
| Einfalt im Denken und Natur im Leben | |||||||
| Der Weißheit Schülern, die er unterwiesen, | |||||||
| Mit Ernst gepriesen: | |||||||
| Mit reiner Luft ihr Leben angefüllet, | |||||||
| Weil sie den Durst nach Weißheit, den er stillet, | |||||||
| Noch nimmer löschet, glücklicher als Fürsten | |||||||
| Zeitlebens dürsten: | |||||||
| Den Tod mit Rosen und Iesmin gezieret, | |||||||
| Voll neuer Reitze ihnen zugeführet, | |||||||
| Daß sie den Retter aus des Lebens Schlingen, | |||||||
| Vertraut umfiengen | |||||||
| Stets wollen wir durch Weißheit ihn erheben, | |||||||
| Ihn unsern Lehrer, wie er lehrte, leben | |||||||
| Und andre lehren: unsre Kinder sollen | |||||||
| Auch also wollen. | |||||||
| Ihr Söhne Frankreichs! schmäht denn unser Norden, | |||||||
| Fragt ob Genies je hier erzeuget worden. | |||||||
| Wenn Kant noch lebet, werdet ihr diese Fragen | |||||||
| Nicht wieder wagen. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 401 ] [ Denkvers 6 ] [ Gedicht 2 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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