| Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zur Religion innerhalb der ... , Seite 092 | |||||||
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| 01 | Es ist aber diese Zusammenschmeltzung zweyer ihren Erkenntnisqvellen | ||||||
| 02 | nach so ungleichartiger moralischen Lehren (dergleichen jede Religion | ||||||
| 03 | nicht allein enthalten sondern auch seyn muß) sehr mislich: denn nicht | ||||||
| 04 | allein daß wenn die eine blos das Ergänzungsstück der andern zur vollständigen | ||||||
| 05 | Religion (complementum ad sufficientiam) seyn soll man nie | ||||||
| 06 | ganz gewiß seye ob man es nicht an einem oder anderen Theil und an | ||||||
| 07 | welchem man es ermangeln lasse sondern wenn sich wenigstens dem Anscheine | ||||||
| 08 | nach ein Wiederstreit zwischen beyden eräugnet er schwerlich | ||||||
| 09 | anders als partheyisch nachdem einer sich mehr an die Beurtheilung nach | ||||||
| 10 | dem einen oder andern Princip gewöhnt hat geschlichtet werden könnte. | ||||||
| 11 | Es ist also wenigstens ein nöthiger und nützlicher Versuch jede | ||||||
| 12 | dieser Religionsqvellen für sich ganz allein zu benutzen und zu versuchen | ||||||
| 13 | ob sie nicht für sich hinreichend und eine mit der anderen dennoch einstimmig | ||||||
| 14 | sey. Dabey aber muß man was Theologie darinn ist von der | ||||||
| 15 | Moral welche mit jener zusammen Religion ausmacht unterscheiden. | ||||||
| 16 | Die Göttliche Natur das Natur Verhältnis derselben zur Menschheit | ||||||
| 17 | ob sie damit in Vereinigung trete - wie sich diese Vereinigung in der | ||||||
| 18 | Erfahrung durch Wunder beweise wie sie stellvertretend für den Menschen | ||||||
| 19 | seyn könne gehört zur Theologie. - Daß man aber nur im Glauben | ||||||
| 20 | an diese Naturbeschaffenheiten ein rechthandelnder Gott wohlgefälliger | ||||||
| 21 | Mensch werden könne gehört zur Moral. Dieweil aber Moral als solche | ||||||
| 22 | jederzeit aus eigenen Vernunftprincipien des Menschen entspringen muß | ||||||
| 23 | denn sonst wäre sie nicht Moral d. i. aus Freyheit entsprungen so müßte | ||||||
| 24 | die Annahme der Menschwerdung der Gnugthuung und Gnadenwirkungen | ||||||
| 25 | als Bedingungen der seeligwerdung auf Gründen der Vernunft | ||||||
| 26 | beruhen | ||||||
| 27 | Die Welt hat nie etwas die Seele belebenderes die Selbstliebe | ||||||
| 28 | niederschlagenderes und doch zugleich die Hofnung erhebenderes Gesehen | ||||||
| 29 | als die Christliche Religion die sich von dem Judenthum erhoben | ||||||
| 30 | hat. Aber diese Erhebung konnte sie nur durch die Übereinstimmung | ||||||
| 31 | mit der Vernunftreligion erlangen welche sie sanctionirte. Ohne diese | ||||||
| 32 | war alles fragmentarisch aus Moral u. Religionssatzung zusammengesetztes. | ||||||
| 33 | Jetzt ist ein System welches durch das Gantze sich mit Majestätischem | ||||||
| 34 | Ansehen ankündigt. - Man kan Juden und Naturalisten | ||||||
| 35 | auffodern ob sie einen vortreflichern Zusammenhang je gesehen und sich | ||||||
| 36 | ersonnen haben. Man muß sie mit Achtung ansehen gesetzt auch daß | ||||||
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