Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 221 |
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Text (Kant):
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| 01 | Eben erfahre ich von einem Augenzeugen, daß Bischoffswerder | ||||||
| 02 | und Rietz im Dom bei der Beisezzung des Leichnams gegenwärtig | ||||||
| 03 | gewesen, folglich nicht arretirt sind. | ||||||
| 789. | |||||||
| 05 | An Iohann Gottlieb Fichte. | ||||||
| 06 | [December 1797?] | ||||||
| 07 | Hochgeschätzter Freund! | ||||||
| 08 | Wenn Sie meine drei Vierteljahr verzögerte Antwort auf Ihr an | ||||||
| 09 | mich abgelassenes Schreiben für Mangel an Freundschaft und Unhöflichkeit | ||||||
| 10 | halten sollten, so würde ich es Ihnen kaum verdenken können. | ||||||
| 11 | Kennten Sie aber meinen Gesundheitszustand und die Schwächen | ||||||
| 12 | meines Alters, die mich genöthigt haben, schon seit Einem und einem | ||||||
| 13 | halben Iahre alle meine Vorlesungen, gewiß nicht aus Gemächlichkeit, | ||||||
| 14 | aufzugeben, so würden Sie dieses mein Betragen verzeihlich finden; | ||||||
| 15 | ungeachtet ich noch dann und wann durch den Canal der Berl. | ||||||
| 16 | Monatsschrift und auch neuerlich durch den der Berliner Blätter | ||||||
| 17 | von meiner Existenz Nachricht gebe, welches ich als Erhaltungsmittel | ||||||
| 18 | durch Agitation meiner geringen Lebenskraft, ob zwar langsam und | ||||||
| 19 | nur mit Mühe, thue, wobei ich mich jedoch fast ganz ins praktische | ||||||
| 20 | Fach zu werfen mir gerathen finde, und die Subtilität der theoretischen | ||||||
| 21 | Speculation, vornehmlich wenn sie ihre neuern, äußerst zugespitzten | ||||||
| 22 | Apices betrifft, gern Andern überlasse. | ||||||
| 23 | Daß ich zu dem, was ich neuerlich ausgefertigt habe, kein anderes | ||||||
| 24 | Iournal als das der Berliner Blätter wählte, werden Sie und meine | ||||||
| 25 | übrigen philosophirenden Freunde mir als Invaliden zugute halten. | ||||||
| 26 | Die Ursache ist: weil ich auf diesem Wege am geschwindesten meine | ||||||
| 27 | Arbeit ausgefertigt und beurtheilt sehe, indem sie, gleich einer politischen | ||||||
| 28 | Zeitung, fast posttäglich die Erwartung befriedigt, ich aber nicht weiß, | ||||||
| 29 | wie lange es noch dauern möchte, daß ich überhaupt arbeiten kann. | ||||||
| 30 | Ihre mir 1795 und 1796 zugesandten Werke sind mir durch Herrn | ||||||
| 31 | Hartung wohl zu Handen gekommen. | ||||||
| 32 | Es gereicht mir zum besondern Vergnügen, daß meine Rechtslehre | ||||||
| 33 | Ihren Beifall erhalten hat. | ||||||
| 34 | Lassen Sie sich, wenn sonst Ihr Unwillen über meine Zögerung | ||||||
| 35 | im Antworten nicht zu groß ist, ferner nicht abhalten, mich mit Ihren | ||||||
| 36 | Briefen zu beehren und mir literärische Nachrichten zu ertheilen. Ich | ||||||
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