Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 220 |
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| 01 | war, daß ich mein Gesuch nicht weiter fortsezte, weil ich befürchten | ||||||
| 02 | mußte, daß mein Freund Soldat werden könnte. Dieser Vorfall brachte | ||||||
| 03 | mich zum Besinnen, ich hielt es für einen Wink, daß ich nicht in dem | ||||||
| 04 | Wirkungskreise stehen bleiben sollte der meiner Überzeugung zuwider | ||||||
| 05 | war, nach vielem hin und her=Wanken wendete ich mich an den GeneralAdjutanten | ||||||
| 06 | des verstorbenen Königs Obersten v. Zastrow, dieser Mann | ||||||
| 07 | empfal mich Sr. Excellenz dem Minister v. Schroetter, durch deßen | ||||||
| 08 | Vermittelung ich in Westpreußen Land erhalten soll, so ganz zufrieden | ||||||
| 09 | ist indeßen der Minister mit meinem Plane nicht, weil derselbe wünscht, | ||||||
| 10 | daß ich in Königl. Dienste tretten möchte, zum Theil rührt seine Unzufriedenheit | ||||||
| 11 | daher, weil Sie mit meiner izzigen Standesveränderung | ||||||
| 12 | unzufrieden seyn sollen, wie mir der Minister es versicherte, in wiefern | ||||||
| 13 | dieses seine Richtigkeit habe, weis ich nicht, allein unerwartet wäre es | ||||||
| 14 | mir eben nicht, denn ich habe schon das Schiksal verkannt zu werden, | ||||||
| 15 | und ich muß aufrichtig gestehen, daß der Schein wider mich ist, und | ||||||
| 16 | daß man mir wohl Wandelbarkeit zutrauen könne, wenn man mich | ||||||
| 17 | und alle Verhältniße nicht ganz genau kennt, allein ich kann mich vor | ||||||
| 18 | allen vernünftigen Wesen rechtfertigen, denn die Maxime das Land | ||||||
| 19 | zu bauen kann als allgemeines Gesez gelten und die Maxime jeden | ||||||
| 20 | Stand in jedem Augenblik zu verlaßen um in den Akkerbauerstand | ||||||
| 21 | herüberzutretten qualifizirt sich auch zum allgemeinen Gesez, übrigens | ||||||
| 22 | überlaße ich mein Schiksal der Gottheit, von der ich nun völlig überzeugt | ||||||
| 23 | bin, daß sie mich jederzeit in die Lage versezt die mir die zuträglichste | ||||||
| 24 | ist, freilich laufe ich Gefahr für einen Phantasten zu passiren, | ||||||
| 25 | allein ich würde mich selbst verachten, wenn das Urteil andrer Menschen | ||||||
| 26 | mich zum Handeln bestimmen sollte. | ||||||
| 27 | Daß der König den 16t. d. M. mit Tode abgegangen, werden Sie | ||||||
| 28 | vielleicht schon wißen. Der neue König hat sogleich die Madame Rietz | ||||||
| 29 | arretiren lassen, ihre Sachen sind versiegelt und ihre Häuser mit | ||||||
| 30 | Wachen besezt, man gibt ihr Schuld als hätte sie Staatsverbrechen | ||||||
| 31 | begangen, sie soll eine rußische Depesche erbrochen und Staatsgelder | ||||||
| 32 | unterschlagen haben. Bischoffswerder und Rietz sollen auch arretirt seyn. | ||||||
| 33 | Der Fortdauer Ihrer Freundschaft empfele ich mich und bitte | ||||||
| 34 | Sie zu glauben daß ich nie wider meine Überzeugung vorsäzlich handeln | ||||||
| 35 | werde. Mit aller Achtung bin ich | Ihr | |||||
| 36 | Berlin den 18ten Novemb. | aufrichtiger Freund | |||||
| 37 | 1797 | Hahnrieder. | |||||
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