Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 308 |
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| 01 | 12) Die Gesellschaft in so fern sie den Schutz der Rechte und die | ||||||
| 02 | Bestraffung der Verbrechen zur Hauptabsicht hat heist bürgerliche | ||||||
| 03 | Gesellschafft. Sie ist daher nicht bloß nüzlich sondern heilig. | ||||||
| 04 | 13) Verachtung und Zerstörung der bürgerlichen Gesellschaft Hochverrath | ||||||
| 05 | ist daher das größte Verbrechen, und seine Strafe darf | ||||||
| 06 | durch keine andere irgend eines Verbrechens übertroffen werden. | ||||||
| 07 | Ich bleibe hier stehen weil ich einige Anmerkungen über diese | ||||||
| 08 | 13 Sätze beyfügen will. Die Ordnung in der ich sie stellte mag | ||||||
| 09 | wohl nicht die beste seyn, aber ich folgte meinen Ideengang der immer | ||||||
| 10 | halb analytisch und halb synthetisch ist. Dann machte es mir auch | ||||||
| 11 | einige Mühe aufrichtig zu seyn, weil ich hier schon den Anfang eines | ||||||
| 12 | Aufsatzes meines Freundes über die Principien des Naturrechts las, | ||||||
| 13 | worinnen ich manche Begriff viel besser entwickelt und ausgedrückt fand, | ||||||
| 14 | als sie bey mir waren da ich mit Klein sprach, und ich Ihnen doch | ||||||
| 15 | unsere gemeinschaftlichen Grundsatze vorlegen wollte. Der 13 Satz | ||||||
| 16 | gehört auch eigentlich nicht mehr hinzu aber ich fügte ihn bey, weil | ||||||
| 17 | er mir eine Bestättigung meiner Lieblings=Hypothese scheint, daß die | ||||||
| 18 | Menschen nie etwas hervorbrachten, glaubten liebten oder verabscheueten | ||||||
| 19 | wo zu sich nicht eine Veranlassung in den edlern Theil ihrer Natur | ||||||
| 20 | findet. Ihre Verirrungen kommen imer daher daß sie ihre eigenen | ||||||
| 21 | Geschöpfe fur ihre Götter ansehen. Ich stelle mir die Sache so vor. | ||||||
| 22 | Bey der Philosophie (worunter ich hier alles verstehe was sich auf das | ||||||
| 23 | moralische Interesse der Menschen bezieht, auch die Theologie) ist es | ||||||
| 24 | nicht wie mit andern Wissenschaften und Künste, deren Stoffe sich nur | ||||||
| 25 | nach und nach darbieten deren Beobachtung oft Werkzeuge erfordert, | ||||||
| 26 | sondern aller Stoff der Philosophie war von je her dem Menschen | ||||||
| 27 | ganz gegeben, und von seiner Kraft und Willen hieng es ab, wie viel | ||||||
| 28 | er zum klaren oder deutlichen Bewußtseyn davon brachte. Für den | ||||||
| 29 | dessen reine Moralität ihn fähig machte in sich zu kehren, waren diese | ||||||
| 30 | Kenntniße, das was sie sind, Entdekungen des edlern Theil des Menschen, | ||||||
| 31 | und keine außer uns hypostasirte Ideale, aber für den der diese Entdeckungen | ||||||
| 32 | nicht selbst machte, waren sie etwas daß der Erkenntniß die | ||||||
| 33 | einen objectiven Stoff fordert, ganz analog war, und sie setzten einen | ||||||
| 34 | erdichteten objectiven Stoff voraus, ja selbst die ersten Entdecker konnten, | ||||||
| 35 | da sie oft schon in Rüksicht anderer Erkenntniße zu dieser Verfahrungsart | ||||||
| 36 | gewöhnt waren, endlich selbst in Rücksicht auf ihre eigene Lehren | ||||||
| 37 | in diesen Irrthum verfallen. War nun einmal [einmal] ein Hypostasirtis | ||||||
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