Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 307 |
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Text (Kant):
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| 01 | sagen daß sie die Erduldung eines physischen Übel, als solches, | ||||||
| 02 | wegen eines moralischen Vergehens sey, sondern sie ist das Symbol | ||||||
| 03 | der Strafwürdigkeit einer Handlung, durch eine denen Rechten | ||||||
| 04 | die der Verbrecher verwirkt hat, entsprechende Kränkung desselben. | ||||||
| 05 | 6) Die Bestraffung setzt die Einsicht der Verbindlichkeit moralisch | ||||||
| 06 | zu handeln, die Mündigkeit des Verbrechers voraus, Unmündige | ||||||
| 07 | können nur gezüchtigt werden. | ||||||
| 08 | 7) Die Bestraffung setzt die Fähigkeit der Reflexion während der | ||||||
| 09 | Handlung voraus, im Falle diese bey dem Verbrecher nicht statt | ||||||
| 10 | fand, kan er auch nicht gestraft werden, sondern er ist der Rechte | ||||||
| 11 | der Mündigkeit verlustigt und wird gezüchtigt. | ||||||
| 12 | 8) Meinen Rechten ist ihrer Gültigkeit entweder durch die Gesellschaft | ||||||
| 13 | allein gesichert, oder auch einestheils durch mich selbst, obgleich | ||||||
| 14 | meine Macht nicht immer Hinlänglich ist. Im ersten Fall macht | ||||||
| 15 | sich der Verbrecher dieser Gültigkeit verlustigt, und im andern | ||||||
| 16 | Falle ersezt die Gesellschaft meine physische Macht, und behandelt | ||||||
| 17 | den Verbrecher nach den Recht das er mir durch seine Beleidigung | ||||||
| 18 | über ihn gab. Z. B. der Dieb, macht sich seines Eigenthums | ||||||
| 19 | verlustigt. Der Mörder hätte dürfen von mir umgebracht | ||||||
| 20 | werden, ehe er seine Absicht ausführte, die Gesellschaft übt also | ||||||
| 21 | mein Recht über ihn aus. | ||||||
| 22 | 9) Das moralische Gesetz giebt mir nicht allein die Vorschrift wie | ||||||
| 23 | ich andere behandeln soll, sondern auch wie ich mich von andern | ||||||
| 24 | soll behandeln lassen, es verbietet mir so wohl, den Misbrauch | ||||||
| 25 | anderer Menschen, als die Erduldung desselben, die Wegwerfung | ||||||
| 26 | meiner Selbst. | ||||||
| 27 | 10) Es ist mir daher eben so wohl befohlen kein Unrecht zu leiden | ||||||
| 28 | als keines zu thun, aber ersteres ist mir allein ohne Hülfe zwar | ||||||
| 29 | im Vorsatz aber nicht in der Ausführung möglich, und dadurch | ||||||
| 30 | ist mir und allen Menschen die Aufgabe gemacht, ein Mittel zu | ||||||
| 31 | finden durch welches meine physischen Kräfte meinen moralischen | ||||||
| 32 | Forderungen gleich würden. Hieraus entspringt der moralische | ||||||
| 33 | Trieb und die Verbindlichkeit zur Geselligkeit. | ||||||
| 34 | 11) Durch die Gesellschaft wird nun das Erlaubte zum Recht. und | ||||||
| 35 | die Übertrettung der Sittengesetze zum Verbrechen. Nur nach | ||||||
| 36 | der Entwicklung der Rechte, läße sich die Verbrechen richtig ihrer | ||||||
| 37 | Größe nach bestimen. | ||||||
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