| Kant: AA X, Briefwechsel 1785 , Seite 420 | |||||||
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| 01 | "Die Thebaner fügen auch noch das hinzu: daß Herkules aus | ||||||
| 02 | Raserei selbst den Amphitryo habe tödten wollen; allein ein Schlaf | ||||||
| 03 | habe ihn vorher überfallen, durch den Wurf von einem Steine; Minerva | ||||||
| 04 | aber sei die gewesen, welche diesen Stein, den sie Sophronister | ||||||
| 05 | nennen, auf ihn geworfen." | ||||||
| 06 | Am Ende desselben Kapitels, p. 733. | ||||||
| 07 | 'Υπερ δε τον Σωφρονιςηρα λιθον βωμος εστιν Απολλωνος επικλησιν | ||||||
| 09 | "Ueber den Stein Sophronister ist ein Altar des Apollo Spondius." | ||||||
| 10 | Dieses (wie es Winkelmann nennt) wirklich sehr unbekannte | ||||||
| 11 | Mährchen aus der alten Mythologie findet sich wohl nur bloß beim | ||||||
| 12 | Pausanias; wenigstens finde ich in der bis itzt besten Ausgabe dieses | ||||||
| 13 | Schriftstellers, der Kuhnischen, hierzu weder eine Anmerkung noch auch | ||||||
| 14 | nur Citatum. Vorzüglich glaube ich, kömt das Wort Σωφρονιςηρ wohl | ||||||
| 15 | schwerlich noch sonst wo in dieser Bedeutung vor. Die Ableitung ist | ||||||
| 16 | leicht. σωφρον, weise, eigentl. vernünftig, sittsam (recht was das französ. | ||||||
| 17 | sage). Davon σωφρονιζω, ich mache klug, ich ermahne, auch wohl, ich | ||||||
| 18 | züchtige. Lauter bekannte Wörter. Davon könte nun σωφρονιςηρ | ||||||
| 19 | einer der klug macht, heißen. Ich sage: könte; denn in allen ältern | ||||||
| 20 | u. neuern Lexikographen, mit Inbegrif des Svidas, Pollux etc. die | ||||||
| 21 | ich darum nachgesehn, findet sich dies Wort nie so, sondern statt dessen | ||||||
| 22 | immer Σωφρονιςες (mit einem s, nicht r, am Ende). Sophronister | ||||||
| 23 | kömt freilich auch vor, aber bloß in der Bedeutung des hintersten | ||||||
| 24 | Backzahns, der auch deutsch der Weisheitszahn heißt. Sophronisterium | ||||||
| 25 | aber heisst ein Zucht= oder auch wohl Irrhaus. | ||||||
| 26 | So dunkel ist die Wort= und Sacherklärung. Soviel sieht man | ||||||
| 27 | also wohl, daß eigentl. keine Spur da ist, daß man je einen solchen | ||||||
| 28 | Stein selbst vorgezeiget habe. Doch kann Herkules sehr wohl auf | ||||||
| 29 | Kunstwerken mit diesem Steine sein abgebildet worden. Der starke | ||||||
| 30 | Eindruk einer unvermutheten Sache kann wohl einen rasenden oder | ||||||
| 31 | empörten Menschen zur Besinnung bringen; so auch der plötzliche Wurf | ||||||
| 32 | eines Steines der vom Himmel fällt, d. h. von dem man nicht wei | ||||||
| 33 | woher er kömmt. | ||||||
| 251a. | |||||||
| 35 | An Christian Gottfried Schütz. | ||||||
| 36 | Vor d. 8. Nov. 1785. | ||||||
| 37 | Erwähnt 252. | ||||||
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