| Kant: AA X, Briefwechsel 1779 , Seite 256 | |||||||
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| 01 | Geschmaks, durch ächte Muster der Sprachreinigkeit, der Naivetät und | ||||||
| 02 | der Laune die Ehre Deutschlands noch zu erhalten suchen, sich so vortheilhaft | ||||||
| 03 | auszeichnet. | ||||||
| 04 | Meine bisher in der Stille getriebene Arbeiten, von denen Sie | ||||||
| 05 | mir die Ehre thun, eine so gute Meinung zu äussern, enthalten zwar | ||||||
| 06 | mancherley, was, wenn ich die Annehmlichkeit der Manier abrechne, | ||||||
| 07 | nicht unschiklich scheinet, in so gute Gesellschaft, als Ihr Philosoph | ||||||
| 08 | beysammen hat, aufgenommen zu werden. Allein eine Fortsetzung | ||||||
| 09 | der Abhandlung von den Menschenracen scheint mir doch, theils | ||||||
| 10 | in Ansehung meiner Absicht, theils in Absicht auf die Unterhaltung | ||||||
| 11 | des im vorigen Stück nicht völlig befriedigten wisbegierigen Lesers, | ||||||
| 12 | vorietzt den Vorzug zu verdienen. Vor langweilige Wiederholungen | ||||||
| 13 | des von mir und anderen schon gesagten, vor windigte Hypothesen, | ||||||
| 14 | oder auch eine scholastische Trockenheit dürfen Sie sich nicht fürchten. | ||||||
| 15 | Der Stof ist reichhaltig und an sich selbst populär und da ich ietzt | ||||||
| 16 | den Gesichtspunkt, aus welchem man die Varietäten der Menschengattung | ||||||
| 17 | betrachten muß, so deutlich zu bestimmen im Stande bin, | ||||||
| 18 | daß dadurch in Kurzem auch in diesem Felde etwas mit Sicherheit | ||||||
| 19 | wird ausgemacht werden können, so bekommt die Abhandlung hiedurch | ||||||
| 20 | einige Wichtigkeit. Überdem werden die angehenkte Principien einer | ||||||
| 21 | moralischen Charakteristik der verschiedenen Racen der Menschengattung | ||||||
| 22 | den Geschmak derer, die auf das Physische nicht sonderlich merken, zu | ||||||
| 23 | befriedigen dienen. | ||||||
| 24 | Die Materialien hiezu liegen zwar schon seit einiger Zeit völlig | ||||||
| 25 | fertig, weil ich durch Zimmermanns Geographische Geschichte | ||||||
| 26 | des Menschen (der das vorige Stück hierinn beurtheilete) zum | ||||||
| 27 | weiteren Uberdenken dieses Gegenstandes veranlasset wurde. Gleichwohl | ||||||
| 28 | muß ich mir zur Einkleidung einige Frist (etwa bis Weynachten) ausbitten; | ||||||
| 29 | weil ich eine Arbeit nicht unterbrechen darf, die mich so lange | ||||||
| 30 | an der Ausfertigung aller anderen Producte des Nachdenkens, die sich | ||||||
| 31 | indessen sehr angehäuft haben, gehindert hat und die ich gegen die | ||||||
| 32 | Zeit zu vollenden glaube. Alsdenn wird es mir eine angenehme und | ||||||
| 33 | leichte Beschäftigung seyn, mit demienigen herauszurücken, wovon | ||||||
| 34 | Sie und andere meiner Freunde eine viel zu vortheilhafte Erwartung | ||||||
| 35 | haben, welches indessen, da ich eine so lange Zeit über so mancherley | ||||||
| 36 | Gegenstände gebrütet habe, vor meine übrige Lebenszeit Vorrath gnug | ||||||
| 37 | enthält. Wenn Sie mein geehrtester Freund wieder das benante | ||||||
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