| Kant: AA X, Briefwechsel 1779 , Seite 250 | |||||||
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| 01 | nur verlangen kann; fände bey einem academischen Amte die Adiunctur | ||||||
| 02 | Statt, so würde er mir selbige beschieden haben. | ||||||
| 03 | Durch die Bekanntschaften die ich an der Tafel des Ministers gemacht, | ||||||
| 04 | besonders aber durch meinen Freund D. Biester bin ich in geschloßene | ||||||
| 05 | Gesellschafften von größtentheils Gelehrten eingeführt, die für | ||||||
| 06 | mich eben so lehrreich als angenehm sind. | ||||||
| 07 | Unter der Menge von Bekannten, die ich itzt habe, (es ist wirklich | ||||||
| 08 | einem Fremden in Berlin sehr leicht Bekanntschafften zu machen) bin | ||||||
| 09 | ich so glüklich, zween wahre Freunde zu haben. Der erste ist der Uebersetzer | ||||||
| 10 | des Toaldo, Herr Steudel, ein gebohrner Schwabe. Er ist ein | ||||||
| 11 | großer Naturforscher, besonders in der Chimie, Botanik, und praktischen | ||||||
| 12 | Astronomie sehr erfahren; der Minister Zedlitz hat ihm eine Professur | ||||||
| 13 | in Halle angebothen, aber er zieht seine Freyheit aller Gemächlichkeit | ||||||
| 14 | des Lebens vor. Nicht leicht werden zween Menschen mehr miteinander | ||||||
| 15 | sympathisiren als wir beyde. Er läuft mit mir auf dem Felde | ||||||
| 16 | herum und unterrichtet mich in der Naturgeschichte. Biester ist der | ||||||
| 17 | zweyte, den ich unter meine Freunde zähle; von ihm will ich im | ||||||
| 18 | Griechischen profitiren, wenn ich länger hierbleibe. | ||||||
| 19 | Ihren Brief an Prof. Feder habe ich noch nicht abgeschikt; aber | ||||||
| 20 | meinen Brief schon fertig liegen, mit dem ich ihn nächstens abschiken | ||||||
| 21 | will. Was mich bisher davon abgehalten, ist, daß man mich hier dem | ||||||
| 22 | Minister Münchhausen zum Führer seines Sohnes, der nächstens nach | ||||||
| 23 | Göttingen und von da nach Genf gehen soll, empfohlen; noch warte | ||||||
| 24 | ich auf den Erfolg der Empfehlungen. Die zweyte Ursache, die mich | ||||||
| 25 | abhielt, war, ich wollte gern Herrn Feder um eine gewisse bestimmte | ||||||
| 26 | Versorgung bitten; ich glaubte sie gefunden zu haben, da Sprengel | ||||||
| 27 | der bisher in Göttingen iungen Engländern Unterricht gegeben, nach | ||||||
| 28 | Halle in Thunmanns Stelle berufen worden; D. Biester schrieb deßhalb | ||||||
| 29 | an Sprengeln, bekam aber zur Antwort, er habe den Engländern Vorlesungen | ||||||
| 30 | über die Geschichte in englischer Sprache gehalten; und ich | ||||||
| 31 | müste dies nothwendig auch thun können wenn ich ihm succediren | ||||||
| 32 | wollte. Das traue ich mir nicht zu. Ich habe also in meinem Briefe | ||||||
| 33 | an HE Feder auch nur überhaupt gebethen, er möchte mir doch | ||||||
| 34 | schreiben, durch welche Art von Unterweisung ich mir versprechen könnte | ||||||
| 35 | einige Erleichterung des Unterhalts in Göttingen zu finden. Findet | ||||||
| 36 | sich daselbst für mich kein Mittel des Unterhalts, so bleib ich den | ||||||
| 37 | Sommer in Berlin, wo ich nicht weniger Gelegenheit zur Erweiterung | ||||||
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