| Kant: AA X, Briefwechsel 1768 , Seite 076 | |||||||
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| 01 | ist, u. Fragmente in die Welt sandte, die blos Vorläuferinnen seyn | ||||||
| 02 | wollen, oder sie sind unleidlich. | ||||||
| 03 | Von meiner Seite werde ich mein Namenloses Stillschweigen fortsetzen, | ||||||
| 04 | aber was kann ich dafür, daß die unzeitige Güte meiner | ||||||
| 05 | Freunde mir bei diesem Stillschweigen den Plan verdorben? Sie, | ||||||
| 06 | m. F. müßen Einer derer seyn, die es wißen, daß Materien der | ||||||
| 07 | Art wie in meinen bisherigen Bändchen, wohl nicht der Ruhesitz | ||||||
| 08 | meiner Muse seyn sollten warum aber sollte ich nicht mein bischen | ||||||
| 09 | Philosophie eben bei den Modematerien unsres HalbviertheilIahrhunderts | ||||||
| 10 | anwenden, wo die Anwendung, wie ich mir schmeichelte, | ||||||
| 11 | einer gesunden Philosophie so vieles berichtigen konnte? Ich wei | ||||||
| 12 | nicht, wie sehr unsre Philologie und Critik u. Studium des Alterthums | ||||||
| 13 | in das Mark einer wahrhaften Kürze zurücktreten müßte, wenn | ||||||
| 14 | überall Philosophen philologisirten, und critisirten, u. die Alten | ||||||
| 15 | studirten. Schade aber, daß dies Wort anfängt, in Deutschland | ||||||
| 16 | beinahe zum Gespött zu werden, u. Studien die Modewißenschaften | ||||||
| 17 | werden, wo die unphilosophischsten Köpfe schwatzen - | ||||||
| 18 | Doch ich schreibe ja beinahe schon wieder als Kunstrichter u. | ||||||
| 19 | Fragmentist, u. breche also um so kürzer u. härter ab. | ||||||
| 20 | Das Feld, mein geschätzter Freund, das Sie mir auf meine | ||||||
| 21 | künftigen Lebensjahre hinter einem Montagne, Hume u. Pope anweisen, | ||||||
| 22 | ist, wenn die Hoffnung darüber zu schmeichelhaft ist, | ||||||
| 23 | wenigstens (doch mit einer kleinen Abbeugung des Weges) der | ||||||
| 24 | Wunsch meiner Muse. Es ist für mich die Beschäftigung mancher | ||||||
| 25 | süßen Einsamkeiten gewesen, Montagne'n mit der stillen Reflexion zu | ||||||
| 26 | lesen, mit der man den Launen seines Kopfs folgen muß, um jede | ||||||
| 27 | Geschichte, die er im Zuge anführt, jeden losen u. schlüpfenden Gedanken | ||||||
| 28 | den er verräth, zu einer Naturproduktion, oder zu einem | ||||||
| 29 | Kunstexperiment der Menschlichen Seele zu machen. Welch ein | ||||||
| 30 | Mann wär' es, der über Baumgartens reiche Psychologie mit eines | ||||||
| 31 | Montagne Seelenerfahrung redete! - - Hume konnte ich, da ich noch | ||||||
| 32 | mit Roußeau schwärmte, weniger leiden, allein von der Zeit an, da | ||||||
| 33 | ich es allmälig mehr inne ward, daß, es sey wes Weges es sey, der | ||||||
| 34 | Mensch doch einmal ein geselliges Thier ist, u. seyn muß - von da | ||||||
| 35 | aus habe ich auch den Mann schätzen gelernt, der im eigentlichsten | ||||||
| 36 | Verstande ein Philosoph Menschlicher Gesellschaft genannt werden | ||||||
| 37 | kann. Ich habe in der Schule die Britannsche Geschichte meistens | ||||||
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